Von Raffi Kantian
Die Ausgangslage
Anfang August wurden auf Facebook diese beiden unteren Fotos gepostet und machten im Netz schnell die Runde. Die erste Frage, die uns spontan einfiel: „Was hat Urartu mit Aserbaidschan zu tun?“ Die Aufnahmen stammten aus dem Archäologischen Museum Frankfurt am Main und zeigten in der Vitrine urartäische Exponate. Doch warum stand über der Vitrine „Azerbeijan“? Auch in der zugehörigen Karte zu diesen Exponaten stand wieder „Azerbeijan“.
Wir wissen: Das Regime in Baku versucht penetrant überall etwas Aserbaidschanisches zu entdecken. Die armenische Hauptstadt Jerewan ist eigentlich aserbaidschanisch. Die dortige persische Moschee natürlich ebenfalls aserbaidschanisch, der Süden Armeniens gehört ohnehin schon länger Aserbaidschan usw. und so fort. Lag eventuell in diesem Fall etwas Vergleichbares vor?
Die Fakten
Die Fakten: Das Großreich Urartu ist nach unserem heutigen heutigem Wissen im 7. Jh. v.Chr. untergegangen. Zu der Zeit gab es in der Region keine Turkstämme, zu denen die heutigen Aserbaidschaner sich zugehörig fühlen. Turkstämme wanderten erst Jahrhunderte später in diese Region ein.
Von daher ist es abwegig, in der Karte, die im Kontext der Urartäer nur eine historische sein kann, bei der Gegend um den Urmia-See von „Azerbeijan“ zu sprechen.
Abgesehen davon ist die heutige Bezeichnung „Aserbaidschan“ eine Ableitung aus dem Namen des Satraps (Statthalters) Atropates, (altpersisch Atarepata), der im 4. Jh.v. Chr. unter dem persischen Großkönig Dareios III. für das Gebiet Medien zuständig war. Sein Herrschaftsgebiet wurde Jahrhunderte später im Mittelpersischen Āturpātakān genannt. Das war eine rein geographische Bezeichnung für das Gebiet im Nordwesten Irans und sagte nichts über die ethnische Zusammensetzung der dortigen Bevölkerung aus. Übrigens in keiner seriösen Karte jener Zeit taucht die Bezeichnung „Azerbeijan“ auf.
Die Verwendung des Begriffs „Aserbaidschan“ ist seit 1918 deutlich problematischer geworden. Denn als am 27. Mai 1918 die so genannte Demokratische Republik Aserbaidschan (DRA) ausgerufen wurde, haben die Gründer von der Musavat-Partei für ihren Staat aus politischen Gründen ganz bewusst den Namen „Aserbaidschan“ gewählt.
„Der benachbarte Iran begrüßte nicht, dass die DRA den Namen ‚Aserbaidschan‘ für das Land annahm, da er sich auch auf das iranische Aserbaidschan beziehen konnte und einen territorialen Anspruch implizierte.“
s. Yilmaz, Harun (2015). National Identities in Soviet Historiography: The Rise of Nations Under Stalin. Routledge. p. 21. ISBN 978-1-317-59664-6.
Und Wassili Barthold schrieb 1963 in Sochineniya, vol II/1. Moskau. S. 706.
„(…) wenn es notwendig ist, einen Namen zu wählen, der alle Regionen der Republik Aserbaidschan umfasst, kann der Name Arran gewählt werden. Der Begriff Aserbaidschan wurde jedoch gewählt, weil man bei der Gründung der Republik Aserbaidschan davon ausging, dass diese und das persische Aserbaidschan eine Einheit bilden würden, da die Bevölkerung beider Länder eine große Ähnlichkeit aufweist. Auf dieser Grundlage wurde das Wort Aserbaidschan gewählt. Wenn das Wort Aserbaidschan jetzt verwendet wird, hat es natürlich zwei Bedeutungen: Persisch-Aserbaidschan und Republik, was verwirrend ist und die Frage aufwirft, von welchem Aserbaidschan die Rede ist.“
Genau diese Unbestimmtheit ist eine der problematischen Punkte der Aufstellung in Frankfurt. Welches Aserbaidschan wird gemeint? Die Provinz Aserbaidschan der Islamischen Republik Iran, die heutige Republik Aserbaidschan oder beides zusammen?
Die Regierung in Baku jedenfalls hat über die Jahre diese Doppeldeutigkeit für ihre Zwecke missbraucht. Bereits Anfang der 1990er Jahre hat der damalige Präsident Elçibey die Menschen in dieser iranischen Provinz zur Abspaltung vom iranischen Staatsverband animiert.
Diese Versuche werden noch heute fortgesetzt. „Die Zeit ist reif: Süd-Aserbaidschan sollte sich vom Iran abspalten“, hieß es am 26. August 2022 auf Caliber.az, einer Website, die mit der Präsidialverwaltung Aserbaidschans verbunden ist. („Süd-Aserbaidschan“ ist die irredentistische Bezeichnung für die aserbaidschanisch dominierten Nordprovinzen des Irans.), Link: https://bit.ly/3d5Q6wh
Die Reaktion des Museums
Eine kürzere Fassung der oben genannten Fakten haben wir als Deutsch-Armenische Gesellschaft dem Museum mitgeteilt und um Änderungen gebeten, angefangen mit der inkriminierten Beschriftung.
Der Leitende Direktor des archäologischen Museums Frankfurt (Main), Dr. Wolfgang David, schickte uns sehr zeitnah eine Stellungnahme. Die wesentlichen Teile:
„Wir bedauern sehr, dass Sie durch die Ausstellung von Objekten und deren Beschriftung in einer unserer Vitrinen irritiert wurden. Das Reich Urartu erstreckte sich über mehrere Staatsgebiete, wie Sie selbst schreiben. Die Stücke in unserer Ausstellung beziehen sich jedoch auf Fundgebiete in der heutigen, iranischen Provinz Aserbaidschan rund um den Urmia-See. Die Beschriftung der Vitrine mag dabei zu Missverständnissen geführt haben.
Unsere Dauerausstellung (…) stammt noch aus der Zeit seit Ende der 1980er Jahre. Sie konnte seither leider noch nicht modernisiert werden. Dies soll aber in naher Zukunft geschehen und in diesem Rahmen werden wir in jedem Fall Änderungen vornehmen, das wird auch die Karte betreffen.
Bitte haben Sie Verständnis, dass wir dazu Zeit brauchen, um ein Gesamtkonzept für alle Räume des Museums erarbeiten zu können. In der Zwischenzeit haben wir die Bezeichnung „Aserbeijan“ an der Vitrine, die sich im konkreten Fall auf die Herkunft von Ausstellungsstücken aus der nordwestiranischen Provinz bezog, entfernt und werden auch noch einmal die Texte überprüfen.“
2 Trackbacks
[…] Was hat Urartu mit Aserbaidschan zu tun? (deutscharmenischegesellschaft.de) […]
[…] Was hat Urartu mit Aserbaidschan zu tun? (deutscharmenischegesellschaft.de) […]