Karabach-Gespräche in Paris: Freundliche Atmosphäre, bleibender Dissens

Das Treffen der Präsidenten in Paris 20141027Der französische Präsident François Hollande lud die Präsidenten Armeniens, Serge Sargsyan, und Aserbaidschans, Ilham Alijew, zu einem Gipfeltreffen nach Paris, das am 27. Oktober stattfand.

Nach bilateralen Gesprächen der beiden Staatsoberhäupter mit François Hollande gab es eine gemeinsame Sitzung, an der auch die Ko-Vorsitzenden der Minsk Gruppe (James Warlick (USA), Igor Popov (Russland), Pierre Andrieu (Frankreich)) sowie der Vertreter des amtierenden Vorsitzenden der OSZE, Anjey Kasperchik, teilnahmen.

Das war das dritte Treffen der beiden Präsidenten in den letzten drei Monaten und das 17. seit 2008.

Der Élysée-Palast veröffentlichte eine Presseerklärung , in der es u.a. heißt (inoffizielle Übersetzung):

„François Holland ermutigte die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans, ihre Bemühungen um eine Verhandlungslösung und dauerhafte Beilegung des Berg-Karabach-Konflikts in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Völkerrechts und den von den Ko-Vorsitzenden der Minsk Gruppe identifizierten Grundsätzen zu intensivieren. Er stellte fest, dass der Status quo nicht haltbar sei.

Er rief die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans dazu auf, den notwendigen politischen Willen zu zeigen, um ihre Differenzen zu überwinden und ihre Bevölkerung auf den Frieden vorzubereiten. Um voranzukommen schlug er die Ausarbeitung eines umfassenden Friedensabkommens vor.“

In der Presseerklärung des armenischen Präsidialamtes wird inhaltlich Folgendes gesagt:

„The participants attached great importance to continuing dialogue within the framework of the OSCE Minsk Group co-chairmanship and confidence-building efforts in order to make progress in peaceful negotiations. The absence of an alternative to the peaceful resolution of the conflict was stressed. The parties made an arrangement to proceed with high-level negotiations.“

Beide Erklärungen sind eher allgemein gehalten. Auf der Webseite von Präsident Alijew ist nicht einmal das zu finden.

Armeniens Außenminister Eduard Nalbandian wurde bei einem Pressegespräch wesentlich konkreter. Ein Auszug:

„Question: Mr. Minister, has the question of withdrawing the snipers been discussed?

Answer: I mentioned that President Hollande proposed to implement several confidence building measures [Bezug auf den Südkaukasus-Besuch des französischen Präsidenten vom Mai 2014, R.K.]. It included also creating an investigation mechanism of incidents on the line of contact and on the border, withdrawal of snipers, consolidation of ceasefire, etc.

The Co-Chairs also welcome all these proposals. As you know both Armenia and Nagorno-Karabakh have always positively reacted to the implementation of such measures. But, as I said, the Azerbaijani side approaches it from a different angle. I would say, they are not quite ready for this. I repeat, they think that when there is progress in the negotiations then it will be possible to discuss confidence building measures. If there is progress, if we achieve certain solutions, I think, there would not be a need for the confidence building measures to this extent. It is obvious that without mutual confidence no solution is possible. Rather the confidence building measures should create favourable conditions for achieving progress.

Question: It seems that Hollande has called upon the sides to start drafting the comprehensive peace agreement. Has such a question been discussed during today’s negotiations?

Answer: Such calls were always present. We should consider them in the context that when we reach an agreement on the basic principles of the settlement, it will give an opportunity, it will become a basis for drafting the main agreement. As there is no final agreement on the basic principles yet, such a question cannot be discussed and such a question has not been discussed during today’s meeting in Paris.“

Zusammengefasst: Demnach besteht nach wie vor Dissens  sowohl bei den vertrauensbildenden Maßnahmen als auch bei den grundlegenden Prinzipien, die einer endgültigen Einigung vorgeschaltet sein müssen.

Als Arbeitsgrundlage für den von der Minsk Gruppe geführten Friedensprozess dienen die „Madrider Prinzipien„.

Sie umfassen folgende Punkte:

–          Rückgabe der besetzten Gebiete um Berg-Karabach an Aserbaidschan
–          Interimstatus für Berg-Karabach, der Selbstbestimmung und Sicherheit garantiert
–          Ein Landkorridor (Latschin), der Armenien mit Berg-Karabach verbindet
–          Entscheid über den rechtlichen Status Berg-Karabachs durch eine zukünftige, politisch verbindliche Willenserklärung
–          Rückkehrrecht für alle Binnenvertriebenen und Flüchtlinge an ihre einstigen Wohnorte
–          Internationale Sicherheitsgarantien, welche die Stationierung einer Peacekeeping-Operation beinhalten

Neben den von Minister Nalbandian zum Ausdruck gebrachten Unterschieden in den Positionen gibt es noch weitere. Anne Hess vom Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich, ein Kompetenzzentrum für schweizerische und internationale Sicherheitspolitik, trägt diese in ihrer Analyse „Berg-Karabach: Hindernisse für eine Verhandlungslösung“  so zusammen:

„Für beide Seiten ist die Statusfrage der umstrittenste Punkt. Armenien unterstützt eine vollständige Unabhängigkeit Berg-Karabachs. Aserbaidschan hingegen zieht keine Lösung in Betracht, die nicht seine volle Zuständigkeit über die Region beinhaltet. Innerhalb einer solchen Lösung ist Baku bereit, Berg-Karabach einen hohen Grad an Autonomie zuzugestehen. Die Rückgabe seiner Territorien und die Wiederansiedlung seiner Binnenflüchtlinge haben für Aserbaidschan aber höhere Priorität als die Statusfrage. Zur Klärung der Statusfrage befürwortet Baku die Durchführung eines Referendums in ganz Aserbaidschan über die Zukunft Berg-Karabachs. Armenien beharrt darauf, dass vor einem Truppenabzug aus den besetzten Gebieten der Status Berg-Karabachs geklärt werden und Aserbaidschan Sicherheitsgarantien abgeben müsse.

Die De-facto-Regierung in Berg-Karabach ist in Bezug auf ihre Selbstverwaltung nicht kompromissbereit. Sie fordert ein Referendum, das ausschließlich in Berg-Karabach und zeitlich vor dem Abzug der armenischen Truppen stattfinden soll. Gemäß ihrer Sichtweise müssten nach einer möglichen politischen Einigung internationale Friedenstruppen die Sicherheit Berg-Karabachs gewährleisten. Die genauen Modalitäten eines Referendums und eines Einsatzes von Friedenstruppen sind jedoch weitgehend unbekannt.“

Die Atmosphäre bei den Pariser Gesprächen soll freundlich gewesen sein, die Einigung auf eine von beiden Seiten akzeptierte Lösung scheint angesichts der Vielzahl der divergierenden Vorstellungen jedoch nach wie vor in (relativ) weiter Ferne zu liegen.

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