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Kleingeschrieben: Der Völkermord an den Armeniern im Deutschen Historischen Museum
Gerade in unserer schnelllebigen Zeit sind runde Jubiläen nicht nur ein willkommener sondern auch ein notwendiger Anlass innezuhalten, um sich zu erinnern, zu gedenken, zu reflektieren aber auch um neu zu bewerten. So wundert es nicht, dass 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine Vielzahl von Veranstaltungen, Ausstellungen, Medienberichten und Publikationen stattfinden. Man könnte meinen, nach 100 Jahren sei so gut wie alles bereits gesagt worden. Die Historiker eröffnen uns jedoch immer wieder neue Blickwinkel, neue Aspekte stehen in dem Mittelpunkt. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärt der bekannte Historiker Christopher Clark dieses Phänomen so: “Die Gegenwart sensibilisiert uns für gewisse Aspekte des damaligen Geschehens, die bisher ausgeblendet wurden“. Wurde vor 10-15 Jahren die Kriegsbegeisterung der Bevölkerung und der Soldaten, die in den Krieg zogen, hinterfragt – diese war längst nicht so euphorisch, wie offizielle Darstellungen uns glauben machen wollten – so stehen heute Fragen nach der Verantwortung für den Kriegsausbruch in dem Mittelpunkt. In seinem Buch „Die Schlafwandler“ geht Christopher Clark der Frage nach, welche Entwicklungen und Entscheidungen zum Krieg führten, die Antwort auf die Frage nach der Verantwortung führt von der strikten nationalen Sicht weg und fällt multiperspektivisch, differenziert und für manchen überraschend aus.
In der Reihe der vielen Ausstellungen zum Ersten Weltkrieg, die meist ortsbezogenen, regionalen Charakter haben, nimmt die Ausstellung „1914-1918. DER ERSTE WELTKRIEG“ des Deutschen Historischen Museums Berlin „deutschlandweit als einzige Überblicksausstellung, die die europäische und globale Dimension des Kriegsgeschehens verdeutlicht“, einen hervorgehobenen Platz ein, wie man in der Presseinformation des Deutschen Historischen Museums vom April 2014 nachlesen kann, weiterhin heißt es dort u.a.: “Anhand von 14 markanten Orten bietet die Ausstellung eine geographisch-chronologische Übersicht des Krieges. Bei den Orten handelt es sich um konkrete Schlachtfelder – etwa Verdun, Tannenberg, Deutsch-Ostafrika oder Gallipoli – aber auch um politisch-kulturelle Zentren wie Petrograd oder Berlin sowie besetzte Städte wie Brüssel. Alle Orte stehen für wichtige Stationen und Situationen des Krieges. Sie verweisen auf übergreifende Entwicklungen: die Modernisierung der Kriegstechnik mit ihren physischen und psychischen Folgen für die Menschen, die weltumspannende Kriegswirtschaft, die globale Ausweitung der Kämpfe sowie die Totalisierung des Krieges an der „Heimatfront“. Der Fokus der Ausstellung liegt auf der Eskalation der Gewalt. Die Gewalterfahrung veränderte nicht nur die nachfolgenden Kriege, sondern auch das politische Denken und Handeln im 20. Jahrhundert.“
Mit vielseitigen Exponaten, Schilderungen von Einzelpersonen, Berichten von der Front und sonstigen Dokumenten – man läuft z.T. Gefahr sich im Dickicht der Einzelobjekte zu verirren – wird versucht, den Krieg aus der Ebene abstrakter Geschichtsschreibung herauszuholen und sein Gesicht sichtbar, ihn sinnlich erfahrbar zu machen. Wie bereits erwähnt, stehen ausgesuchte Orte für wichtige Kriegsstationen bzw. –situationen, so z.B. Ypern für die Schrecken des Gaskriegs, Galizien für die Suche nach „inneren Feinden“ oder Gallipoli für die neue Front im Osmanischen Reich.
Im Kontext mit Gallipoli, in einer kleinen Raumecke, beschäftigt sich die Ausstellung mit den Armeniermassakern im Osmanischen Reich: „Es starben mindestens 300.000, wahrscheinlich sogar über eine Million Menschen“. Das Deutsche Historische Museum lässt den Besucher mit dieser Zahlendiskrepanz allein. Was nun? Sind es 300.000 oder mehr als eine Million Tote? Keine Erklärung, an anderen Stellen werden die Zahlen der Toten auf 10.000 genau angegeben. Die Armenier werden als eine „christliche Minderheit“ beschrieben, was mag sich der vielleicht unkundige Ausstellungsbesucher darunter vorstellen: Sind diese Christen irgendwann von irgendwo zugezogen? Seit wann lebten Armenier hier? Handelt es sich um eine „Quantité négligeable“? Welche Bedeutung hatten sie in Staat und Gesellschaft? Gemessen an den detaillierten Schilderungen z.B. des Gaskriegs in Ypern mit den physischen und psychischen Auswirkungen des Giftgases auf Soldaten und Zivilbevölkerung, der Entwicklung von Giftgas und Giftgasgranaten sowie der Darstellung verschiedener Arten von Gasmasken wirken die Aussagen zu den Armeniermassakern recht summarisch.
Immerhin kommt Johannes Lepsius zu Wort, seine Dokumentation „Bericht über die Lage des armenischen Volkes in der Türkei“ ist ausgestellt, ein Auszug ist ausgedruckt und es wird auch darauf hingewiesen, dass die Schrift am 7. August 1916 von der deutschen Zensur verboten wurde. Dank dieser Schrift können sich die Besucher vorstellen, was mit „Enteignung, Vertreibung, Ermordung“ – so die Sprachregelung des Deutschen Historischen Museums – gemeint ist: der Völkermord an den Armeniern. Warum überlässt es das Deutsche Historische Museum Johannes Lepsius die Armeniermassaker als Genozid zu bezeichnen? Warum bezieht man nicht eindeutig Stellung? Teilt das Deutsche Historische Museum diese Auffassung nicht?
In der Pressemappe des Deutschen Historischen Museums heißt es im Kapitel „Gallipoli“ u.a.: „In all diesen Gebieten hinterließ der Erste Weltkrieg tiefe Spuren“. Man gewinnt den Eindruck – gerade im Vergleich zu anderen Situationen wie z.B. in Galizien, wo „einzelne Bevölkerungsgruppen von ihrem eigenen Staat aufgrund ihrer Sprache oder Religion als „innere Feinde“ ausgemacht, deportiert und in Lagern interniert wurden“ –, dass man den Genozid an den Armeniern eher als Randepisode präsentiert. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man sich die Auswahl der drei Fotos von Armin T. Wegner anschaut: „Flüchtlinge auf dem Tauruspass“, „Lager an der anatolischen Bahn“ und „Verlassenes Kind“. Diese Fotos sind in ihrer Aussage in etwa vergleichbar mit dem Foto „Evakuierte Flüchtlinge aus Kowel Ukraine 1916“, wobei aber der Hintergrund ein ganz anderer ist, da die Armenierdeportationen den Tod der Deportierten zum Ziel hatten. Der Schwerpunkt der Aussage durch die gezeigten Fotos liegt eindeutig auf „Vertreibung“: Das ist völlig inakzeptabel angesichts der 1,5 Millionen ermordeten armenischen Frauen, Kinder und Männer – und respektlos den Toten gegenüber. In anderem Zusammenhang hat man sich nicht gescheut, Situationen mit deutlichen Bildern zu visualisieren, ein Beispiel: das Bild „Kindertod“ zur Verdeutlichung der Leiden der Zivilbevölkerung in Deutschland.
So erfreulich es ist, dass die Armeniermassaker, im Klartext: der Genozid an den Armeniern, einen Platz in der Ausstellung gefunden hat, so bedauerlich ist es, dass eine angemessene Behandlung des Themas versäumt wurde. Dabei geht es nicht um den Umfang der Darstellung sondern um die Qualität der Aussage, um die geschichtliche Einordnung des Themas. Die Ausstellung soll ein breites Publikum ansprechen, was sollen aber z.B. Schülerinnen und Schüler mit dem Gezeigten anfangen? In diesem Zusammenhang wäre es vielleicht hilfreich gewesen, z. B. auf Raphael Lemkin, den „Vater“ der UN-Genozidkonvention, hinzuweisen und zu zitieren: „Die Leiden armenischer Männer, Frauen und Kinder, die in den Euphrat geworfen oder auf dem Weg nach Der Zor massakriert wurden, haben den Weg für die Annahme der UN-Genozidkonvention vorbereitet“. Angesichts des Ausmaßes des Geschehens und im Vergleich zu den anderen in der Ausstellung dargestellten Aspekten verfestigt sich der Eindruck, dass die Ausstellungsmacher den Genozid an den Armeniern oberflächlich und halbherzig behandelt haben.
Deutsches Historisches Museum, Berlin:
29. Mai 2014 bis 30. November 2014
Begleitband zur Ausstellung: „Der Erste Weltkrieg in 100 Objekten“,
ISBN 978-3-8062-2967-7, 24,95 €
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