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Öcalan & der armenische Genozid: Anmerkungen zu seinem Brief
Die Verhandlungen des auf der Insel Imrali festgehaltenen PKK-Führers Abdullah Öcalan mit dem türkischen Staat hatten bei ihm zu einem „Newspeak“ geführt, insbesondere die nicht muslimischen Minderheiten der Türkei betreffend, ein Eindruck, der sich bei seiner Newroz-Botschaft von 2013 verstärkte.
Unser Autor Recep Marasli ging in seinem zweiteiligen Beitrag „Die historischen Bezüge des Neu-Osmanismus – Aus Anlass von Öcalans Äußerungen über die christlichen Minderheiten“ kritisch darauf ein (ADK 159, ADK 160).
In jüngster Zeit sprach die Ko-Vorsitzende von KCK, Bese Hozat, von der „israelischen Lobby und den nationalistischen armenischen und griechischen Lobbys“ und bezeichnete diese als „Parallelstaaten“ innerhalb der Türkei. Die 60.000 Armenier und die nicht einmal 3.000 Griechen in der Türkei sollen einen Parallelstaat gebildet haben? Das ist Paranoia und eine Steilvorlage für die Ultranationalisten im Lande.
Sowohl ihre Äußerungen als auch Öcalans Newruz-Botschaft wurden heftig kritisiert. Offenbar als Reaktion darauf schrieb Öcalan diese Tage einen Brief an die Armenier, Agos publizierte sie am 30. Januar 2014, unsere deutsche Übersetzung ist hier.
Offenbar geht es Öcalan vorrangig um Schadensbegrenzung. Gleich zwei Paukenschläge machen das deutlich.
Da heißt es: „Zu den grausamsten dieser abscheulichen Politiken gehört der Völkermord, der Anfang des vergangenen Jahrhunderts am armenischen Volk verübt wurde.“ Dass der tonangebende Führer der türkischen Kurden 1915 so deutlich anspricht – andere, wenn auch nicht so gewichtige Kurden haben das bereits vor ihm getan-, ist ein Novum und hat einen besonderen Stellenwert.
Der zweite Paukenschlag folgt auf dem Fuß: „Es ist unausweichlich, dass die Republik Türkei sich dieser Sache annimmt und mit der schmerzvollen Geschichte auseinandersetzt.“
Doch wer ist Schuld am Völkermord an den Armeniern? Öcalan ist da sehr allgemein und greift auf die „antiimperialistische“ Rhetorik zurück. „Durch das Gift besonders der kapitalistischen Moderne und ihres Tempels, des Nationalstaats, ist dieses Land gewissermaßen zu einem Friedhof der Völker und Kulturen geworden“, lesen wir und weiter unten heißt es: „Die rassistischen und nationalistischen Strömungen, die wie ein Dolch in unsere Völker gerammt wurden, bilden die ideologische Infrastruktur dieser Katastrophe.“
Überzeugender wäre es gewesen, auf die konkreten Gründe einzugehen, jene explizit zu nennen, die Schuld auf sich geladen haben, die da wären die Türken und natürlich auch die Kurden, jedenfalls jene, die mitgemacht haben. Wer das in Öcalans Brief sucht, wird enttäuscht sein. Vielleicht liegt es daran, dass er mit dem türkischen Staat als Häftling von einer Position der Schwäche aus verhandelt und seinem „Gegenpart“ nicht noch mehr zumuten möchte, als die Aufforderung, den Völkermord anzuerkennen. Das ist freilich eine Spekulation.
Was haben die Armenier vom Freiheitskampf der Kurden zu erwarten? Öcalan meint die „Heilung der Schmerzen“ und „als gleichberechtigte Bürger in diesem Land zu leben“.
Und wie steht er zu Bese Hozats Unterstellung? So viel ist klar: Richtig distanzieren tut er sich davon nicht, er verpackt sie nur in eine geschmeidigere Form ein. „Es kann allenfalls ein bescheidener Vorschlag von mir sein, dass das armenische Volk bei seinem Kampf nicht in rassistische, nationalistische Fallen tappt, und sich von den heimtückischen Zielen des internationalen Kapitals und der Lobbys, unsere Völker noch weitere Jahrhunderte aufeinander zu hetzen, fernhält“, schreibt er. Das ist abstrus.
Natürlich ist das nicht das letzte Wort zum Thema „Völkermord an den Armeniern“ aus dem Mund eines kurdischen Führers, kann es auch gar nicht sein.
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