Externe Untersuchung: „Starker Verdacht“ auf Korruption im Europarat

Schon seit 2013 berichten wir immer wieder über korruptes Verhalten im Europarat bzw. in dessen Parlamentarischer Versammlung PACE und zwar hier auf dieser Webseite, auf Facebook und in unserer  Zeitschrift ADK. Wir konzentrierten uns im Wesentlichen auf den (damaligen) PACE-Präsidenten Pedro Agramunt, den Ex-Abgeordneten und jetzigen Lobbyisten Eduard Lintner und die Bundestagsabgeordnete Karin Strenz.

Diese und andere Fälle führten Ende Mai 2017 zur Gründung einer Externen Untersuchungskommission, die den Korruptionsvorwürfen in PACE nachgehen sollte. Sie legte am 22. April 2018 ihre Ergebnisse vor.

Die Kurzfassung des ursprünglich englischsprachigen Berichts bringen wir hier in der von uns angefertigten deutschen Übersetzung:
Das unabhängige externe Untersuchungsgremium wurde vom Präsidium der Versammlung als Teil eines umfassenderen Ansatzes für die Behandlung von Korruptionsvorwürfen und Interessenbekundungen gegen einige Mitglieder oder ehemalige Mitglieder der PACE eingerichtet. Die Untersuchungskommission sollte eine detaillierte unabhängige Untersuchung dieser Vorwürfe durchführen und das praktische Funktionieren der Versammlung bei ihren verschiedenen Aktivitäten und ihren Entscheidungsmechanismen prüfen.

Die Aufgabenbeschreibung der Untersuchungsstelle identifiziert kein bestimmtes Ereignis, noch nennt sie eine Einzelperson, eine Entität oder ein Land, in Bezug auf die Korruptionsvorwürfe oder Interessenbekundungen vorgebracht werden. Nichtsdestoweniger prangern mehrere NGO-Berichte die angeblichen Bemühungen Aserbaidschans, die Kritik in der PACE zum Schweigen zu bringen, im Gegenzug für Geschenke und Geld, die als „Kaviardiplomatie“ bekannt wurden. Folglich hat die Untersuchungskommission ihren Blick auf solche, Aserbaidschan betreffende Vorwürfe fokussiert.

Im Verlauf der Arbeit der Untersuchungskommission wurden weitere Vorwürfe über verdächtige Praktiken und Aktivitäten innerhalb von PACE zugunsten anderer Länder zur Kenntnis gebracht. Die Untersuchungskommission untersuchte und verfolgte diese Vorwürfe in dem Maße, in dem sie dazu beitrugen, die Fragen im Rahmen des derzeitigen Prüfungsumfangs zu klären. Aufgrund der organisatorischen, zeitlichen und betrieblichen Einschränkungen des Mandats der Untersuchungsstelle war das Untersuchungsorgan jedoch nicht in der Lage, alle diese Vorwürfe gründlich zu untersuchen. Daher hat es beschlossen, diese in dem Bericht so darzulegen, dass die zuständigen Behörden des Europarates, einschließlich der PACE, und gegebenenfalls der nationalen Behörden diese Vorwürfe nach eigenem Ermessen untersuchen können.

In Bezug auf die allgemeine Funktionsweise von PACE stellte das Untersuchungsgremium fest, dass die Arbeit und Aktivitäten von PACE weitreichende Auswirkungen auf verschiedene Aspekte des sozialen, wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Funktionierens der siebenundvierzig Europarats-Mitgliedstaaten haben könnten und auf ihre Wahrnehmung durch die internationale Gemeinschaft als Ganzes. Bei der Wahrnehmung dieser wichtigen Funktionen war PACE wie jede andere hochrangige nationale oder internationale Behörde anfällig für verschiedene Formen von Druck und unangemessenem Einfluss, einschließlich Korruption.

Der Hauptmangel bei der Organisation der Arbeit und der politischen Prozesse in der Parlamentarischen Versammlung stellte sich auf die Art und Weise dar, in der die Ernennungsentscheidungen für verschiedene Funktionen getroffen wurden. Dies betraf insbesondere die fehlende Transparenz und ausreichende Regelung der Verfahren für solche Ernennungen, insbesondere die Ernennung von Mitgliedern des Begleitausschusses und des Geschäftsordnungsausschusses sowie die Ernennung von Berichterstattern im Allgemeinen. Ein Problem der mangelnden Transparenz und des Fehlens von Schutzmaßnahmen gegen Missbrauch wurde auch in Bezug auf die Abstimmungsverfahren in den Ausschüssen festgestellt, die die Abstimmungsergebnisse beeinflussen und die Möglichkeit der Ausübung unangemessenen Einflusses, einschließlich der von eine finanzielle Natur.

Was das Funktionieren von PACE in Aserbaidschan betrifft, stellte das Untersuchungsorgan fest, dass eine Gruppe von Personen in PACE zugunsten von Aserbaidschan tätig war. Ein gewisses Maß an Kohärenz in ihren verschiedenen Aktivitäten existierte, obwohl die Untersuchungsstelle es schwierig fand, mit hinreichender Sicherheit festzustellen, dass sie alle Teil einer einzigen orchestrierten Struktur waren. In diesem Zusammenhang stellte das Untersuchungsorgan fest, dass mehrere Mitglieder und ehemalige Mitglieder von PACE bei ihren Aktivitäten in Bezug auf Aserbaidschan gegen die ethischen Standards der PACE verstoßen hatten.

Was das praktische Funktionieren der Wahlbeobachtung anbelangt, so stellte das Untersuchungsgremium fest, dass die Leitlinien für die Wahlbeobachtung durch die Parlamentarische Versammlung weiter gestärkt und präzisiert werden müssen und dass die PACE in Erwägung ziehen sollte, einen spezifischen Teil der Wahlbeobachtung in den ethischen Rahmen aufzunehmen, um sicherzustellen, dass die Mitglieder von PACE, die an diese Art von Missionen teilnehmen, diese Leitlinien einhalten. Was die spezifischen Wahlbeobachtungsmissionen anbelangt, die das Untersuchungsgremium im Einzelnen untersucht hat, konnte das Organ abgesehen von seinen Schlussfolgerungen zum Interessenkonflikt einiger Mitglieder und ehemaliger Mitglieder der PACE, die an diesen Missionen teilgenommen hatten, nicht schlussfolgern, dass es ungebührliches Verhalten gegeben hat.

Im Hinblick auf den Austausch von Geschenken und verschiedenen Formen von Leistungen stellte das Untersuchungsgremium fest, dass die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung und die Mitglieder des Sekretariats, die Aktivitäten in Bezug auf Aserbaidschan ausüben, verschiedene Geschenke erhalten haben. Diese Geschenke waren jedoch im Allgemeinen symbolisch und galten als Höflichkeitsgeschenke, die in vielen Ländern üblich waren und denen keine besondere Bedeutung beigemessen wurde. Es konnte auch nicht nachgewiesen werden, dass solche Geschenke als Gegenleistung für die Zustimmung eines bestimmten Abgeordneten oder Sekretariatsmitglieds gegeben wurden, um in einer bestimmten Weise zu handeln. Unter diesen Umständen stellte das Untersuchungsorgan nicht fest, dass der Empfang dieser Geschenke eine herausragende Rolle in den PACE-Aktivitäten in Bezug auf Aserbaidschan gespielt hatte. Gleichwohl betonte die Untersuchungskommission die Notwendigkeit von Transparenz bei der Annahme von Geschenken oder Vorteilen jeglicher Art. Das Gremium fand auch inakzeptable Vorschläge, dass die Parlamentarier der Parlamentarischen Versammlung sich nicht an die Regeln für die Angabe von Geschenken in der Parlamentarischen Versammlung halten würden, sondern nur an diese Regeln in ihren nationalen Parlamenten. Die Untersuchungskommission betonte, dass die Abgeordneten die Regeln für die Angabe von Geschenken und Interessen sorgfältig befolgen müssten, wie im entsprechenden ethischen Rahmen der PACE vorgesehen.

Darüber hinaus legte das Untersuchungsorgan die Fakten zu zwei Hauptformen der Verwendung finanzieller Mittel zur Beeinflussung der Arbeit der PACE in Bezug auf Aserbaidschan fest. Die erste betraf die von mehreren ehemaligen Parlamentariern der Parlamentarischen Versammlung geleistete entlohnte Lobbyarbeit. Die zweite betraf die tatsächliche Verwendung von Geld und anderen korruptiven Aktivitäten als Mittel zur Beeinflussung verschiedener Aktivitäten, die direkt oder indirekt für Aserbaidschan geleistet wurden.

Im Hinblick auf die Durchführung von Lobbying-Aktivitäten in PACE stellte das Untersuchungsgremium fest, dass eine Reihe ehemaliger PACE-Abgeordneter, die solche Aktivitäten durchgeführt hatten, gegen den PACE-Verhaltenskodex verstoßen hatten. Was die Korruptionsaktionen zugunsten Aserbaidschans anbelangt, so stellte das Untersuchungsgremium fest, dass der Verdacht bestand, dass bestimmte derzeitige und ehemalige Mitglieder der PACE korruptive Tätigkeiten ausgeübt hätten.

Angesichts seiner Ergebnisse und Schlussfolgerungen gab das Untersuchungsgremium eine Reihe von Empfehlungen zu den Maßnahmen ab, die zur Behebung der festgestellten Mängel und zur Schließung der Lücken im ethischen Rahmen der Versammlung zu ergreifen sind.

 

Der vollständige Bericht befindet sich hier: http://assembly.coe.int/Communication/IBAC/IBAC-GIAC-Report-EN.pdf
Drei deutschsprachige Medien, Spiegel Online, Neue Zürcher Zeitung NZZ und die Frankfurter Allgemeine Zeitung erwähnen namentlich Karin Strenz und Eduard Lintner.
 
Nach der Veröffentlichung des Berichts über die mögliche Korruption von Abgeordneten im Europarat hat die Parlamentarische Versammlung des Europarats PACE am 26. April die nationalen Parlamente, somit auch den Bundestag aufgefordert “ ‚ to take the necessary measures in respect of the cases mentioned” and report back to the Assembly by the end of 2018‘ „. http://www.assembly.coe.int/nw/xml/News/News-View-EN.asp?newsid=7053&lang=2&cat=8Dass in diesem Zusammenhang Karin Strenz MdB genannt wird ist kaum erstaunlich.
 
Der stellvertretende Vorsitzende der deutschen Delegation in Straßburg, Frank Schwabe (SPD), forderte Strenz auf, ihr Bundestagsmandat aufzugeben. Ihr Verhalten sei mit der Verpflichtung dieses Mandats nicht vereinbar, teilte er am Sonntagabend mit. Die CDU-Fraktion müsse den Druck auf sie erhöhen und für Aufklärung sorgen. „Die Fraktion kann den Fall nicht weiter aussitzen“, sagte Schwabe.

 

Strenz gehört nicht mehr der Europarat-Delegation der Bundesrepublik Deutschland an, auch hat sie  nicht mehr den Vorsitz der Deutsch-Südkaukasischen Parlamentariergruppe. Auf beide Punkte hatte die Deutsch-Armenische Gesellschaft nachdrücklich gedrungen.

 

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