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Armenien nach den Präsidentschaftswahlen 2013
Am 18. Februar 2013 hat Armenien ein weiteres Mal seinen Präsidenten gewählt. Bereits im Vorfeld war vielen klar, dass der amtierende Präsident höchstwahrscheinlich bereits im ersten Durchgang gewählt werden würde. Denn sein Hauptwidersacher, der erste Präsident der Republik, Lewon Ter-Petrossian hatte auf seine Kandidatur verzichtet, ebenso der Oligarch Tsarukian . Verzichtet hatte auch die Partei Daschnakzutyun.
Übrig blieben somit neben dem amtierenden Präsidenten Raffi Hovannisian, Vorsitzender der Partei „Erbe“, sowie ein Feld von nicht sonderlich profilierten Personen. Einzig einer von denen, der ehemalige Dissident aus Sowjetzeiten,Paruyr Hairikyan, konnte nicht nur, aber auch wegen des Attentats, den er mit Verletzungen überlebte, mit einer gewissen Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit rechnen. Angesichts dieser Vorgeschichte schienen vielen die Präsidentschaftswahlen noch bevor sie stattgefunden hatten, als erledigt. Es gab auch durchaus Meinungen, die im Vorfeld von „langweiligen Wahlen“ sprachen.
Die eigentliche Überraschung dieser Wahlen war der Stimmenanteil von Raffi Hovannisian. Seine Partei „Erbe“ hatte zuletzt bei den Parlamentswahlen vom Mai 2012 ganze 5 % der Stimmen auf sich vereinigen können. Er hingegen kam jetzt auf fast 37 % der Stimmen, der amtierende Präsident auf fast 59 % (alle Ergebnisse nach Angaben der Zentralen Wahlkommission CEC).
Es wird gegenwärtig darüber diskutiert, wie dieser Stimmenanteil für Raffi Hovannisian zu Stande gekommen sein könnte. Nicht von der Hand zu weisen ist das Argument, dass er alle Stimmen der Opposition auf sich vereinigen konnte. Somit wären all jene, die nicht antreten wollten, in dieser Prozentzahl anteilig vertreten. Hinzu kommt, dass Wähler in bestimmten Regionen, so zum Beispiel in Gjumri, ihre Unzufriedenheit mit dem jetzigen Präsidenten zum Ausdruck bringen wollten und das auch getan haben. Eine generelle Unzufriedenheit mit dem „Oligarchensystem“, als dessen Vertreter Präsident Sargsyan angesehen wird, kam hinzu. Nicht zu unterschätzen ist die Rolle des sehr professionellen und modernen Wahlkampfs unter Einsatz der elektronischen Medien von Raffi Hovannisian.
Erwartungsgemäß hat Raffi Hovannisian die Wahlergebnisse der Zentralen Wahlkommission (CEC) nicht anerkannt und sich zum eigentlichen Sieger erklärt. Er tourte durch das Land und ließ sich als Sieger feiern. Auch forderte er Präsident Sargsyan wiederholt auf, ihm sein Amt zu übertragen, was dieser nicht tat. Die Frage ist, wie er zukünftig zum Erreichen seines Zieles vorgehen wird. Er spricht gegenwärtig davon, den öffentlichen Druck durch fortgesetzte Demonstrationen aufrecht zu erhalten und so sein Ziel zu erreichen. Ein Blick zurück zeigt, dass dieser Weg in Armenien nicht erfolgversprechend ist. Nach den schlimmen Wahlen von 2008 mit zehn Toten hatte der damalige Gegenkandidat Lewon Ter-Petriossian sehr viel mehr Möglichkeiten zur Hand, um den Volkszorn zu mobilisieren und über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten. Dennoch gelang es ihm nicht, dieses Potenzial entsprechend umzusetzen. Seine Bewegung zerfiel, er selbst musste infolgedessen einen Imageverlust in Kauf nehmen.
Auf ein solches Potenzial kann Raffi Hovannisian nicht zurückgreifen und das ist gut so. Denn die Präsidentschaftswahlen von 2013 verliefen gewaltfrei, das gilt auch für Hovannisians Demonstrationen nach den Wahlen. Daran haben sowohl er als auch die Administration ihren Anteil. Man kann auch zweifelsohne von den Lehren von 2008 sprechen. Als ein Beleg des neuen Stils kann auch das Treffen von Hovannisian und Serge Sargsyan nach den Wahlen angesehen werden, dass – zumindest was die Fotos davon anbetrifft – zwei freundlich lächelnde Herren zeigte. So etwas war 2008 völlig undenkbar.
Noch einmal die Frage, wie Hovannisian vorzugehen gedenkt. Die außenpolitische Karte gibt es auf absehbare Zeit wohl nicht, denn mächtige Politiker wie zum Beispiel EU-Ratspräsident Barroso, der amerikanische Präsident Obama und Bundeskanzlerin Merkel haben Präsident Sargsyan zu seiner Wahl gratuliert. Es bleibt nur die innenpolitische Option. Dafür braucht Hovannisian eine breite Allianz. Ihm beistehen möchte zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur die Daschnakzutyun. Der von Lewon Ter-Petrossian angeführte einflussreiche Armenische Nationalkongress (ANC) ist nicht mit von der Partie, er betrachtet sich ohnehin als die eigentliche Oppositionskraft. Symbolisch wurde das am 1. März 2013 zum Ausdruck gebracht. An jenem Tag sollte der Toten vor fünf Jahren gedacht werden. Statt durch einen gemeinsamen Auftritt eine (künftige) Allianz anzudeuten, entschieden sie sich für getrennte Gedenkfeier. Ob und wie es Hovannisian gelingen wird, eine kritische Masse von Bürgern zusammenzubringen, muss abgewartet werden. Ebenso wie die gesamtgesellschaftliche Lage im Lande sich entwickeln wird.
Auch die Wahlen von 2013 wurden von einer Vielzahl von Beobachtern unter die Lupe genommen. Neben dem ODIHR (Office for Democratic Institutions and Human Rights), eine Untergliederung der OSZE, gab es zahlreiche NGOs als Wahlbeobachter, die größte von ihnen ist It‘s Your Choice (IYC).
ODIHR hat zwei Berichte vor den Wahlen gebracht (am 23.01.2013 und am 07.02.2013 ).
Unmittelbar nach den Wahlen, am 19.02.2013, publizierte ODIHR ein „Statement of Preliminary Findings and Conclusions“, dem am 02.03.2013 ein „Post-Election Interim Report“ folgte. Ein abschließender Bericht ist angekündigt.
Zur Abrundung Zitate aus „Statement of Preliminary Findings and Conclusions“ (1) und „Post-Election Interim Report“ (2):
1.
“The 18 February presidential election was generally well-administered and was characterized by a respect for fundamental freedoms. Contestants were able to campaign freely. Media fulfilled their legal obligation to provide balanced coverage, and all contestants made use of their free airtime. At the same time, a lack of impartiality of the public administration, misuse of administrative resources, and cases of pressure on voters were of concern. While election day was calm and orderly, it was marked by undue interference in the process, mainly by proxies representing the incumbent, and some serious violations were observed.
The electoral legal framework is comprehensive and conducive overall to the conduct of democratic elections. On several occasions, the state authorities declared their intention to hold elections in line with international standards and Council of Europe and OSCE commitments. Following the 2012 parliamentary elections, a working group was established to explore ways for improving the electoral process. In line with good electoral practice, the OSCE/ODIHR recommended in October 2012 that fundamental aspects of the legal framework should not be amended so close to the presidential election.
Election commissions administered the election in a professional manner. The Central Election Commission (CEC) worked in an open and transparent manner. It accredited 6,034 citizen observers from 26 NGOs in an inclusive process. At the same time, the CEC provided unsound clarifications of some campaign-financing provisions. Various measures undertaken by the authorities contributed to the improved quality of the voter lists. While several candidates alleged that the voter lists were inflated and raised concerns about possible impersonation of out-of-country voters on election day, no evidence of this had been provided prior to election day to support their claims.
Candidate registration was inclusive. The CEC registered all eight nominees who submitted complete documentation and paid the required electoral deposit; one candidate eventually withdrew. The 10-year citizenship and residency requirements for candidates to stand appear disproportionate. The deprivation of voting rights of all prisoners, regardless of the severity of the crime committed, is at odds with the principle of universal suffrage and with the case law of European Court of Human Rights on this issue.
The election campaign was characterized by general respect for fundamental freedoms and contestants were able to campaign without hindrance. Campaign activities were of limited scope. They took place against the backdrop of three main parties not nominating candidates and of a number of prominent personalities deciding not to stand; of the eight candidates, only the incumbent was nominated by a parliamentary party. During the campaign, one candidate was shot and injured in circumstances that are being investigated. Despite this incident, the campaign remained peaceful.
The campaign of the incumbent President was most active and visible. Misuse of administrative resources, including cases of pressure on voters, lack of impartiality on the part of the public administration, participation of public and civil servants in the campaign of the incumbent as well as several instances of campaign offices located in buildings occupied by state or local government bodies blurred the distinction between the state and the ruling party which is at odds with paragraphs 5.4 and 7.7 of the 1990 OSCE Copenhagen Document.
The media gave wide attention to political and election-related information, and media monitored by the OSCE/ODIHR EOM regularly covered all candidates. They gave more coverage to Serzh Sargsyan and Raffi Hovannisyan reflecting the greater extent of their campaign activities. Public television and radio complied with their legal obligation to provide free airtime and balanced coverage of the contestants and all candidates utilized their free airtime. However, the coverage of the campaign was mostly formal and did not provide analytical comment, and no debates were organized between candidates.
Election commissions and courts received a limited number of complaints. The Electoral Code limits the right to file complaints to those whose personal electoral rights are at stake, essentially restricting the right of voters and observers to seek judicial remedy for breach of electoral rights. Court decisions on electoral rights may not be appealed, which limits effective legal redress.
The voting process was orderly, calm and well organized in the majority of polling stations visited. Undue interference in the process, mainly by proxies representing the incumbent, and some cases of serious violations, including intimidation of voters, were observed in a number of polling stations. The ink for stamping voters’ passports was deficient, as it proved to be easily removable from voters’ passports. The majority of vote counts observed was assessed positively, although irregularities and procedural violations were at times noted. Tabulation was assessed positively in all but one of the 41 Territorial Election Commissions, however observers were prevented from adequately observing entry of results into the computer system in 12 cases. The CEC announced a preliminary voter turnout of 61.2 per cent.”
2.
“The Central Election Commission (CEC) on 19 February announced preliminary election results, indicating that incumbent President Serzh Sargsyan was re-elected in the first round. The second-placed candidate, Raffi Hovannisyan, disputed the results and claimed that he won the election.
Since 20 February, Mr. Hovannisyan has staged a series of protest rallies in Yerevan and several regions, which were joined by some opposition parties and politicians. The gatherings were peaceful and the authorities did not interfere, but the police stated that they are illegal and could lead to administrative liability.
There were requests for recounts and for invalidation of results of 132 Precinct Election Commissions (PECs), almost all filed by Mr. Hovannisyan. Three recount requests initiated by election commissions were upheld and revealed minor discrepancies from the original counts. All other requests were rejected on the grounds that complainants were not entitled to file them.
On 25 February, the CEC unanimously adopted the final results protocol and declared Mr. Sargsyan the winner, with 58.6 per cent of votes cast. Mr. Hovannisyan received 36.7 per cent.
An OSCE/ODIHR EOM analysis of official results shows a correlation between very high turnout and the number of votes for the incumbent. This raises concerns regarding the confidence over the integrity of the electoral process.
A limited number of complaints were filed with the election administration on election day, and over 80 after the election. Almost all were rejected. The police and the Prosecutor General investigated over 300 possible offences and initiated criminal proceedings in some 10 of them.
Some broadcast media during the post-election period showed a selective approach in their coverage of political events, with a noticeable tendency to limit views critical of the conduct of the election. A number of online media offered diverse views.”
Was It‘s Your Choice anbetrifft, verweisen wir auf ihre bisherigen Berichte:
– “NGO Report on Long-Term Monitoring Activities Regarding Presidential Elections” vom 15.02.2013
– “NGO Report on Observation Mission during Presidential Elections on February 18, 2013 Preliminary Announcement” vom 20.02.2013
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