Tschetscheniens Versuch nationaler Unabhängigkeit:

Innere Ursachen seines Scheiterns

Von Prof. Dr. Otto Luchterhandt / Universität Hamburg
I. Zur Problemstellung

Das Schicksal Tschetscheniens seit dem Zerfall der Sowjetunion ist voller Tragik: Die Welt wurde Zeuge, wie ein Volk, das nach Jahrhunderten der Fremdherrschaft seine staatliche Unabhängigkeit von Rußland nicht nur zu erringen, sondern in einem ungleichen, mörderisch geführten Krieg heldenmütig zu verteidigen vermochte, danach nicht die Kraft zur Einigkeit, die Vernunft und Disziplin, kurz: die Reife aufgebracht hat, dem glücklichen Sieg durch den friedlichen Aufbau eines funktionierenden Nationalstaates Dauer zu verleihen. Der zweite Tschetschenien-Krieg hat solche Hoffnungen jäh beendet1. Damit verwoben ist ein nicht weniger tragisches Geschehen, nämlich daß das tschetschenische Volk im vergangenen Jahrzehnt, auch durch seine eigene Schuld, zweimal das Opfer einer genozidären Kriegsführung geworden ist, nachdem es seinen Drang nach Freiheit seit dem 19. Jahrhundert mit einer Kette ähnlicher Erfahrungen im Kampf mit Rußland hat bezahlen müssen. Und tragisch muß man schließlich den Umstand nennen, daß geographische Lage und politische Verhältnisse dem tschetschenischen Volk keine andere Wahl lassen, als sich trotz dieser schrecklichen, traumatischen Erfahrungen mit Moskau zu arrangieren und seinen weiteren Weg im Staatsverband der Rußländischen Föderation zu suchen. Damit werden die Tschetschenen fast allein die zu bewältigenden wirtschaftlichen, politischen und seelischen Lasten des Geschehens zu tragen haben.

Die Tschetschenen sind nicht das erste Volk im Kaukasus, dessen Kampf mit Rußland so endet: Vor 150 Jahren war den Tscherkessen, dem damals bedeutendsten im Nordkaukasus lebenden Volk, ein ähnliches Schicksal beschieden. Als 1864 der lange Kaukasus-Krieg gegen die Bergstämme zu Ende ging, war Rußlands Vernichtungs- und Vertreibungsfeldzug ein großer Teil des tscherkessischen Volkes zum Opfer gefallen. Über 300 000 wanderten unter schweren Menschenverlusten nach Kleinasien aus. Nach der Volkszählung von 1897 waren noch ca. 45 000 Tscherkessen im rußländischen Imperium übriggeblieben2. Das Unabhängigkeitsstreben der Tscherkessen war für immer gebrochen3.

Den an den Ereignissen zwar anteilnehmenden, ihnen gleichwohl aber fernstehenden Zeitgenossen stellt sich die Frage, welche Umstände und Gründe den Versuch des tschetschenischen Volkes zur Durchsetzung seines Rechts auf Selbstbestimmung in Gestalt eines unabhängigen Nationalstaates haben scheitern lassen. Aus der Sicht der vergleichenden Nationsbildungsforschung nimmt sich der Vorgang eher erstaunlich aus, gehört doch zu ihren gesicherten Erkenntnissen, welche mächtigen Wirkungskräfte der Nations- und Nationalstaatsbildung sowohl Freiheitskriege als auch nachhaltige Erfahrungen von Fremdherrschaft, Unterdrückung, Diskriminierung und – nicht zuletzt – Völkermord sein können4. Von eben diesen beiden Hauptfaktoren aber ist das Schicksal des tschetschenischen Volkes seit dem späten 18. Jahrhundert wesentlich bestimmt worden, denn verglichen mit allen anderen heute in Rußland lebenden nichtslawischen Ethnien kann das tschetschenische Volk auf die längste Widerstandstradition und Freiheitsgeschichte zurückblicken. Das bis heute in seinem Bewußtsein am stärksten nachwirkende Ereignis ist der wesentlich von den Tschetschenen getragene straff organisierte Staat des Imam Schamil‘ (ca. 1840 – 1859), der allerdings nicht auf nationaler, sondern auf religiös-islamischer Grundlage stand5.

Eher noch lebendiger im Bewußtsein eines jeden Tschetschenen sind die Verletzungen, die seinem Volk von seiten Rußlands bzw. der Sowjetunion zugefügt wurden, an vorderster Stelle die Zwangsdeportation der gesamten Volksgruppe von ca. 400 000 Menschen nach Mittelasien, die im Februar 1944 binnen kurzer Frist unter unsäglichen Umständen mit äußerster Rücksichtslosigkeit durchgeführt wurde und der infolge von Hunger, Kälte und Krankheiten ein großer Teil des Volkes zum Opfer fiel6.

Wenn diese und andere, mit der langjährigen Existenz eines tschetschenischen Verwaltungsgebiets innerhalb der UdSSR zusammenhängenden sozio-politischen Faktoren nicht ausgereicht haben, die Tschetschenen seit dem Zerfall der UdSSR nach innen zu einen und sie aus der Erfahrung tödlicher Bedrohung zu veranlassen, solidarisch an den Grundlagen eines funktionsfähigen Staatswesens zu arbeiten, dann drängt sich die Schlußfolgerung auf, daß Egoismus, Zwietracht, streiterzeugende Interessen, Leidenschaften, Eigenschaften und Prägungen sich als stärker erwiesen haben. Sucht man die tieferen Ursachen hierfür, dann gelangt man zu der Vermutung und Erkenntnis, daß die sozio-politischen Ordnungsvorstellungen und Verhaltensweisen der Tschetschenen – bis heute – so stark von pränationalen Traditionen, Werten und Normen bestimmt sind, daß die in der Republik zur Verwirklichung nationaler Selbstbestimmung und Staatsbildung auch vorhandenen Bestrebungen nicht hinreichend zur Wirkung gelangen und sich durchsetzen konnten. Näherhin sind es drei soziale Phänomene bzw. Institutionen, die dem suchenden Auge in den Blick kommen:

Erstens die Tejp- (älter: Tajp), d.h. die Sippengliederung des Volkes, die sich zugleich als prägende Ordnungsstruktur der tschetschenischen Gesellschaft darstellt; zweitens die dominante Orientierung der Menschen am Gewohnheitsrecht (adat) und drittens das überkommene Bekenntnis zum Islam. Alle drei Faktoren sind zwar eng miteinander verbunden, doch besteht im Verhältnis zum Islam in mancher Hinsicht ein Spannungsverhältnis.

Unter dem Gesichtspunkt des Erfolgs nationaler Staatsbildung ist festzustellen, daß die Tejp-Ordnung nicht einfach nur „subnationalen“, sondern pränationalen Charakter hat. In ihrer tschetschenischen Ausprägung steht sie in weiter Distanz zu den Ordnungsstrukturen moderner Staatlichkeit. Gleiches gilt für das Gewohnheitsrecht, aber auch für den Islam, sei es in Gestalt der im Nordkaukaus traditionell vorherrschenden Richtung des Sufismus oder sei es in den Formen jener radikalen, politisierten, „islamistischen“ Strömungen, die gegen Ende der UdSSR aus dem Vorderen Orient auch nach Tschetschenien vordrangen7.

Für das hier aufgeworfene Problem von herausragendem Interesse sind die partikularen, trennenden und daher desintegrierenden Wirkungen, die vor allem von der Tejp-Ordnung und von dem mit ihr eng verbundenen Phänomen regional dominierender Klan-Strukturen auf die innere Verfassung Tschetscheniens ausgegangen sind und weiter ausgehen.


II. Die Tejp-Gliederung lokaler (regionaler) Sippen und Sippenverbände

Im Rückblick auf das Schicksal des Nordkaukasus im rußländisch-sowjetischen Staatsverband stellt Uwe Halbach, einer der besten Kenner der Materie in Deutschland zutreffend fest8: „Insgesamt blieb Tschetscheno-Inguschetien wohl das am wenigsten in das Sowjetsystem integrierte Gebiet. Beide Völker bewahrten sich besonders in der Verbannung ihr nationales und religiöses Bewußtsein.“

Die Kraft zum Widerstand bezog das tschetschenische Volk in erster Linie aus der Festigkeit seiner überkommenen straffen patriarchalischen Ordnung, die über alle erlittenen Schicksalsschläge hinweg erhalten und lebendig blieb. Ihr Kern ist von alters her die Sippe, in welcher die in väterlicher Linie miteinander verwandten Familien (nek-e; gar) zusammengefaßt sind. Ihre Verwandtschaft leiten sie aus der Abstammung von einem vor ca. 12 Generationen lebenden gemeinsamen Stammvater ab. Die im Tejp vereinigten Familien und Großfamilien zählen auf dem Lande, je für sich, zwischen 10 und 50 Gehöften in kompakter Siedlungsweise mit gemeinsamer Weidenutzung. Der Tejp bildete folglich einen mehr oder weniger großen Verband von dörflichen Siedlungen und umschrieb damit zugleich ein gewisses von ihm bewohntes bzw. beherrschtes Gebiet9. In dieser sozialen Institution verbinden sich damit aufs engste der seinem Wesen nach ursprüngliche personale Ansatz mit einer territorialen Dimension.

Der Tejp wird durch den Rat der Sippenältesten (russ.: sovet starejschin) geleitet, ein gewohnheitsrechtlich legitimiertes Führungsorgan, das alle für den Tejp wichtigen Fragen behandelt, Probleme innerhalb der Sippe entscheidet, Streitigkeiten beilegt und bei Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Tejps streitschlichtend tätig wird.

Regional von altersher enger verbundene Tejps bilden Sippenverbände (tuchumy; tuchkumy), deren es neun gibt, und ihre führenden Männer den mechkel, einen zentralen Sippenrat des tschetschenischen Volkes, der allerdings – soweit erkennbar – seit der Sowjetzeit auch informell keine bedeutende Rolle mehr spielt10. In diesem Aufbau spiegelt sich eine gleichsam sippendemokratische Ordnung des tschetschenischen Volkes wider, das im Unterschied etwa zu den Tscherkessen der Kabardei keinen Adel und keine Feudalaristokratie hervorgebracht hat. Hier dürfte wohl eine wesentliche Wurzel des herausragenden Freiheitswillens der Tschetschenen liegen.

Die ca. 180 Tejps, aus denen das tschetschenische Volk heute besteht, verteilen sich auf drei verhältnismäßig deutlich voneinander unterschiedene geographische Zonen, deren Kenntnis für das Verständnis der innenpolitischen Entwicklung und der Machtverhältnisse in dem Lande überaus wichtig ist, nämlich die bis zu dem Kamm des Hochkaukaus reichende Gebirgsregion, das „Groß-Tschetschenien“ (Bol’schaja Tschetschnja), ferner die ungefähr bis zum Fluß Sunscha im Norden reichende Vorgebirgs- und Talregion, das „Klein-Tschetschenien“ (Malaja Tschetschnja), und die nördlich davon und insbesondere nördlich des Flusses Terek liegende, bis an die Grenze zum Verwaltungsgebiet Stavropol reichende Nord-Terek-Region, bei der es sich überwiegend um ehemaliges Steppenland handelt. Diese nördlichen Talregionen werden von ca. 80 Tejps bewohnt, aber auch sie führen ihren Ursprung auf bestimmte Gebirgstäler zurück11, denn die Gebirsregion ist die historische Heimat der Tschetschenen. Von dort haben sie sich auf das Vorgebirgsland und seit dem 17. Jahrhundert langsam auch auf das Terek-Gebiet ausgedehnt, wo sie Jahrhunderte hindurch in einer engen, aber auch prekären Nachbarschaft mit den Terek-Kosaken lebten, denn die Ansiedlung in den Talzonen war von der russischen Militärverwaltung teilweise unter Zwang durchgeführt worden, um die als besonders widerborstig geltenden Tschetschenen leichter beherrschen zu können12. Als nach der Oktoberrevolution vor allem in den Talregionen nördlich und südlich des Terek und namentlich in Groznyj die Erdölindustrie entwickelt wurde, zogen viele Russen dorthin, vermehrt aber auch Tschetschenen. Ihr Zustrom wurde dadurch erleichtert, daß die Bol’scheviki während des Bürgerkrieges die Kosaken (auch) am Terek vernichtet13 und den Tschetschenen ein Autonomes Verwaltungsgebiet (1922) gewährt hatten. Wegen der im Vergleich zu den tschetschenischen Kerngebieten stärkeren ethnischen Durchmischung des Nord-Terek-Gebietes und des langen Zusammenlebens mit ihren russischsprachigen orthodoxen Nachbarn waren die Beziehungen der dort ansässigen Tejps zu den Russen und zur Moskauer Zentralregierung weitaus weniger gespannt und belastet als im restlichen Tschetschenien. Der tschetschenische Widerstand gegen die Errichtung des Sowjetsystems wurde denn auch von den Tejps der Gebirgsregion getragen.

In dem Maße freilich, wie durch Wirtschaftsmigration und Verstädterung, und das gilt generell für die Talzonen, speziell aber für die größeren Städte und namentlich Groznyj, Angehörige vieler Tejps in einem Rayon zusammenlebten, trat und tritt der Einfluß des personalen Faktors zurück, der territoriale Faktor hingegen in den Vordergrund. Dies hat Auswirkungen auf die lokale Klanbildung, d.h. auf das von einem Wirtschaftsboss beherrschte personale Netzwerk. Zwar stützen sich die Bosse auch hier in erster Linie auf Angehörige ihrer Tejps, suchen ihre Basis aber durch die Gewinnung der Loyalität und Unterstützung aus anderen Tejps zu erweitern und zu verstärken.

III. Informelle Tejp-Strukturen und formelle Sowjetordnung

Für das weitere Verhältnis von traditionaler Tejp-Ordnung und sowjetischer Machtstruktur war die Deportation nach Mittelasien einschneidend. Es ist eine Tatsache, daß das tschetschenische Volk diesen mörderischen Angriff auf seine Existenz und das Überleben in der Diaspora ganz entscheidend seinem Zusammenhalt in der Tejp-Ordnung zu verdanken hat. Sie hat auch bei und nach seiner Rückkehr in die 1957 wiederhergestellte „Autonome Republik der Tschetschenen und Inguschen“ eine wesentliche Rolle gespielt. Tschetschenen und Inguschen strebten danach, in ihre alten Heimatorte und Häuser zurückzukehren, weniger zur Befriedigung ihres gekränkten Gerechtigkeitsgefühls als vielmehr wegen der Bedeutung, welche nach tschetschenischer Sitte Volksreligion, Tejp-Ordnung und Gewohnheitsrecht dem angestammten Siedlungsboden, den Gräbern der Ahnen und dem Weideland zukommen.

Am leichtesten vollzog sich die Rücksiedlung in das historische Kerngebiet, in die Gebirgsregion, denn sie war von Neusiedlern weitgehend frei geblieben. Konfliktreich lief die Rückkehr in die Talregionen, namentlich die Hauptstadt Groznyj und das Nord-Terek-Gebiet ab, da dort viele Angehörige anderer Nationalitäten – Russen, Ukrainer, Armenier, Nogajer, Kabardiner usw. – in Dörfer und Städte eingezogen waren.

Eine bedeutsame politische Auswirkung der Deportation bestand darin, daß im „Gebiet Groznyj“, wie es nun hieß, sich das politisch-administrative Gefüge von Parteiorganisationen und Staatsapparat neu geordnet hatte und von Nicht-Tschetschenen beherrscht wurde. Infolgedessen waren nach der Rückkehr die Tejp-Strukturen von den politisch-personellen Machtstrukturen in der Republik zunächst deutlich getrennt. Daß Moskau den Tschetschenen weiterhin Mißtrauen entgegenbrachte, ließ sich daran ablesen, daß die Parteiführungsposition in Groznyj, das Amt des Ersten KP-Gebietssekretärs, bis zur Perestrojka den Tschetschenen verwehrt wurde. Gleichwohl vollzog sich eine stillschweigende Revanche der traditionellen Sozialordnung: die informellen Tejp-Netzwerke und Tejp-Loyalitäten wuchsen während der langen, von Korruption, Schlendrian, aber auch wirtschaftlicher Expansion geprägten Breschnev-Ära langsam in den Wirtschafts-, Staats- und Parteiinstitutionen hoch. In diesem Prozeß spielten die Tejps des Nord-Terek-Gebiets und namentlich der Klan des langjährigen Zweiten Parteisekretärs, Doku Zavgaev, eine herausragende Rolle14. Als Gorbaev 1989 dem Druck der nichtrussischen Nationalitäten nachzugeben begann, konnte Zavgaev zum KP-Chef Tschetscheniens und kurz darauf auch zum Vorsitzenden des Obersten Sowjets der Republik aufsteigen. Seine Machtstellung hatte jedoch einen Nachteil, der sich im innertschetschenischen Machtkampf alsbald als strategische Schwäche erweisen sollte: Zavgaev repräsentierte nur die Tejps der Nord-Terek-Region.

IV. Tejp-Rivalitäten und Machteroberung durch Dschochar Dudaev

Die Verwundbarkeit wurde offenbar, als General Dschochar Dudaev 1990 seinen Dienst quittierte, nach Groznyj ging und gegen die von Zavgaev angeführte Republiksnomenklatura eine Opposition in Gestalt des „Tschetschenischen Nationalkongresses“ aufbaute. Darin lag eine Kampfansage auch und gerade aus der Tejp-Perspektive, denn Dudaev propagierte die These, daß sich die tschetschenische Nation in der Gebirgsregion am reinsten erhalten habe, und er mobilisierte vor allem die dortigen Tejps gegen die offiziellen Machtstrukturen15. Dabei kam ihm die Tatsache zu Hilfe, daß Tschetschenen aus dem Gebirge es besonders schwer gehabt hatten, in Führungspositionen der Republik aufzusteigen. In der Tat waren im Süden des Landes nicht nur die Siedlungsstrukturen der Tejps, sondern auch die Sittenverbände (tuchumy) in den Bergen wiederhergestellt worden, darunter der tuchum „Itschkerija“16, der die Rayone von Schatoj und Vedeno umfaßte17. Dieser Name hat für den nationalbewußten Tschetschenen einen besonderen Klang, weil auf seinem Gebiet jene Dörfer liegen, von denen die meisten Tejps ihre Herkunft herleiten, namentlich der Ort Nachtscho, der zugleich die Selbstbezeichnung der Tschetschenen („Nochtschoj“) bedeutet. Der von den Russen ausgehende Name „Tschetschenien“ hat für den Tschetschenen ebenfalls einen besonderen und durchaus positiven Klang, da tschetschen jenes Aul (Dorf) im Argun-Tal war, wo die zentralen Versammlungen, die Mechkel, der Tejp- und Tuchum-Repräsentanten stattfanden und weitreichende Beschlüsse über Krieg und Frieden gefaßt wurden18.

Später war dann „Itschkerija“ zum Namen für die ganze von den Tschetschenen bewohnte Gebirgsregion geworden. Es war daher ein „tejp-politisches“ Signal, als Dudaev den ganzen Staat 1994 in „Tschetschenische Republik Itschkerija“ umbenennen ließ.

Dudaev gelang es, über die Gebirgsregion hinaus aber auch wichtige Tejps der Talregion (Urus-Martan; Gudermes) für ein breites Bündnis zu gewinnen. Nachdem Zavgaev sich durch seine Unterstützung des fehlgeschlagenen Moskauer Putsches (August 1991) nationalpolitisch ins Abseits manövriert hatte, konnte Dudaev Ende Oktober 1991 seine Wahl zum Präsidenten der zuvor (6.9.1991) aus Rußland ausgetretenen Republik Tschetschenien erreichen19. Zugleich wurde ein neues Parlament gewählt, in dem die Vertreter der Dudaev unterstützenden Tejps und regionalen Klan-Chefs eine klare Mehrheit hatten. Doku Zavgaev mußte aus Groznyj weichen und wechselte in Jelzins Zentralregierung nach Moskau, blieb aber – mit föderaler Unterstützung – der starke Mann im Nord-Terek-Gebiet. Dessen Verwaltungschef, Omar Avturchanov, fungierte derweil als sein „Statthalter“.

Dudaevs Anhänger kontrollierten die Gebirgs- und Talregion Tschetschenien, nicht aber das Nord-Terek-Gebiet. Hier lag ein ernstes Problem der nun de facto von Moskau unabhängig gewordenen Tschetschenischen Republik, das sich in zweierlei Hinsicht auswirken sollte: Zum einen konnten die Moskau loyalen Tejps und Klans des Nordens weiterhin als Faktoren im innenpolitischen Machtkampf Tschetscheniens zur Wirkung gebracht werden, zum anderen war das Nord-Terek-Gebiet neben den Regionen um die Städte Groznyj und Gudermes ein wichtiges Wirtschaftsgebiet. Ohne Kontrolle darüber war die Unabhängigkeit eines tschetschenischen Staates von der wirtschaftlichen Seite her erheblich gefährdet.

V. Dudaevs Strategie der Polarisierung und die Entfesselung des ersten Tschetschenien-Krieges

Die größte Gefahr für den inneren Frieden Tschetscheniens ging aber von Dudaevs 1992 immer deutlicher werdenden Neigung aus, gestützt auf die radikalen Tejps der Gebirgsregion, auf die Propaganda eines großtschetschenischen Nationalismus und islamischen Radikalismus (ghasawat – „Heiliger Krieg“) sowie auf ihm ergebene Söldnertruppen eine starke Präsidialmacht zu errichten und die politisch eher gemäßigten Vertreter von Tejps vor allem der Talregion und der großen Städte beiseite zu drängen. Vordergründig-institutionell war der Machtkampf in einen Streit zwischen dem Präsidenten einerseits, der Mehrheit des Parlaments und Teilen der Regierung andererseits eingekleidet. Von Moskau aus dem Hintergrund mitbeeinflußt, endete er im späten Frühjahr 1993 mit einem Staatsstreich: Dudaev löste gewaltsam das Parlament auf, entließ die Regierung und errichtete eine Präsidialdiktatur. Mit diesen Schritten trieb er bedeutende, mit ihm bisher verbündete Tejps und die von ihnen und ihren Klan-Chefs dominierten Landesteile in die Opposition. Seine Machtbasis erodierte daher 1993/94 dramatisch, so sehr, daß die Moskauer Zentralregierung im Sommer 1994 zu der Einschätzung kam und auch kommen durfte, Dudaevs Regime indirekt, durch militärisch-logistische Unterstützung des von Zavgaev geschmiedeten Oppositionsbündnisses ohne besondere Schwierigkeiten stürzen zu können20. Das sollte sich allerdings als Fehlschluß erweisen, und Präsident Jelzin schlitterte, um ihn zu korrigieren, im Dezember 1994 in den ersten Tschetschenien-Krieg hinein.

Wie sich in dem Erosionsprozeß der Autorität Dudaevs Klan-Rivalitäten um die Kontrolle über wirtschaftliche Ressourcen, Tejp-Regionalismen und persönliches Machtstreben, teilweise verbrämt mit islamistischen, demokratischen oder nationalistischen Parolen, verbinden konnten, zeigt exemplarisch die Entwicklung in der westlich Groznyj gelegenen Stadt Urus-Martan, deren Rayon vom Tejp Tschanchoj, einer der bedeutendsten Sippen des Landes, beherrscht wird. Die Bosse der Stadt waren seit der Schlußphase der Perestrojka der Chef der republikanischen Beschaffungsbehörde, Sultan Chadschiev, und sein Stellvertreter, Jaragi Mamodaev. Ihr Klan und mit ihnen der Tejp Tschanchoj schlossen sich 1990/91 General Dudaev im Machtkampf gegen Zavgaev an und stiegen in zentrale Machtpositionen auf: Chadschiev wurde Direktor von Groznefttech, einem tschetschenischen Großkonzern der Erdölbranche, Mamodaev Ministerpräsident Tschetscheniens. Und noch ein Dritter, eine Generation jüngerer Angehöriger des Tejp Tschanchoj nahm mit ihnen zusammen einen kometenhaften Aufstieg: Bislan Gantamirov, eine der farbigsten Abenteurergestalten im postkommunistischen Tschtetschenien21. Von Beruf Feldwebel der Miliz, wandte er sich – zumindest nach außen – radikal-islamischen Positionen zu, wurde Chef der tschetschenischen Filiale der „Moslem-Brüder“ und errichtete mit Devisenzuflüssen dieser Organisation aus dem Nahen Osten militärische Trainingslager in seinen Heimatrayons Urus-Martan22 und Atschchoj-Martan, wo junge Männer aus dem Tejp Tschanchoj zu „boeviki“ ausgebildet und bald zu einer über 1000 Mann zählenden, Gantamirov treu ergebenen Truppe formiert wurden. Dudaev setzte auf solche Leute; er machte Gantamirov 1992 zum Bürgermeister von Groznyj. Wegen Dudaevs Machtstrebens, besonders aber wegen eines Streits in der Erdölpolitik, in welcher Chadschiev und Mamodaev im Unterschied zu Dudaev auf Kooperation mit Moskau zur Sicherung der Weiterlieferung von Rohöl an die Raffinerie von Groznyj setzten, kam es im Frühjahr 1993 zum Bruch: Chadschiev, Mamodaev und Gantamirov und mit ihnen der Tejp Tschanchoj gingen eine Allianz mit dem moskautreuen Klan Zavgaevs ein. Weitere Tejps schlossen sich an. Zwar reichte ihre vereinte Macht nicht aus, um Groznyj zu halten, aber der Rayon Urus-Martan wechselte mit in die Opposition, und Gantamirov befehligte 1994 als Stellvertreter Avturchanovs Truppenverbände im Kampf gegen Dudaev. Nachdem Groznyj 1995 erobert worden war, erhielt er erneut den Posten des Bürgermeisters. Seine Tejp-Miliz wurde in die Polizeiverbände der Hauptstadt bzw. das Innenministerium des Landes eingegliedert. Die Posten der vom Gegenpräsidenten Zavgaev gebildeten moskauloyalen Regierung hatten die Klans des Nord-Terek-Gebiets und das Tejp Tschanchoj mit Zavgaev als Präsident der Republik und Salambek Chadschiev als Ministerpräsident unter sich aufgeteilt23, doch tatsächlich herrschten zwischen ihnen Mißtrauen und Feindseligkeit. Die Rivalität namentlich zwischen Zavgaevs Polizeichef Avturchanov und Gantamirov führte dazu, daß auf Zavgaevs Initiative hin gegen Gantamirov vom Generalstaatsanwalt in Moskau ein Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung von föderalen Haushaltsmitteln im Umfang von 57 Milliarden Rubel eröffnet, Gantamirov im Mai 1996 verhaftet und vor ein Moskauer Gericht gestellt wurde24. Das Ende seiner Karriere bedeutete dies indes nicht. Der für die Anhänger Dudaevs siegreiche Ausgang des ersten Tschetschenien-Krieges, der Waffenstillstand von Chasavjurt (August 1996), die Wahl Maschadovs zum Präsidenten (Januar 1997) und der Abschluß eines Friedensvertrages mit Moskau im Mai 1997 entzogen Zavgaev erneut die Stellung des von Moskau förmlich anerkannten Führers Tschetscheniens. Diese Position nahm nun, nach den auch von Jelzin unterstützten Wahlen vom Januar 1997 Präsident Maschadov ein25.

VI. Maschadovs Konzept der Bürgerkriegsvermeidung durch Respektierung der „Militär-territorialen Autonomie“ der Feldkommandeure und das Ergebnis: Zerfall der Ordnung und Anarchie

Maschadovs Wahl bedeutete für die Machtverteilung in Tschetschenien eine Zäsur. Die Tatsache, daß sich nach den durchlittenen Schrecken des Krieges und trotz der inneren Zerrissenheit des Landes fast 80 % der Wahlberechtigten an den Präsidentschaftswahlen beteiligten, signalisierte ein breites tejp- und klanübergreifendes Bedürfnis, einen politischen Neuanfang mit einer authentischen Volksentscheidung zu machen und zugleich eine politische Richtungsentscheidung zu treffen. Der Umstand, daß sich Maschadov bereits im ersten Wahlgang mit beinahe 60 % der Stimmen klar gegen seine militanten Mitbewerber Schamil‘ Basaev (23,5 %) und den Übergangspräsidenten Tschetscheniens, Zelimchan Jandarbiev (10,1 %) durchsetzten konnte26, hob das Wahlergebnis in der Tat in den Rang einer Grundsatzentscheidung für einen gemäßigten, friedlichen, auf Verhandlungen und Einigung setzenden politischen Kurs, den Maschadov bereits erfolgreich eingeleitet hatte und als Persönlichkeit auch überzeugend repräsentierte.

Entgegen vielen Erwartungen kam es nicht dazu, daß die Tejps der Gebirgsregion überwiegend für den draufgängerischen „Volkshelden“ Basaev, die Talregionen für den staatsmännischen Maschadov votierten. Basaev erreichte auch in der Gebirgsregion nicht mehr als ein Drittel der Stimmen27. Maschadov hingegen konnte sich auch im oppositionellen Urus-Martan klar gegen den lokalen Konkurrenten Achmed Zakaev vom Tejp Tschanchoj durchsetzen. Die Tejp-Rivalitäten waren bei dieser Wahl dank des ausgleichenden Charakters Maschadovs wie nie zuvor neutralisiert.

Diesen Gleichgewichtszustand konnte Maschadov als Präsident zwar längere Zeit aufrechterhalten, jedoch um den Preis eines schleichenden Autoritäts- und Machtverlustes, einer sich immer tiefer im Lande ausbreitenden Anarchie, eines Zerfalls in regional begrenzte Herrschaften. Den Grund dazu hatte die Art der Organisation des Widerstandes im ersten Tschetschenien-Krieg gelegt, nämlich seine Dezentralisierung in Gestalt von „Feldkommandeuren“ an der Spitze lokaler „Fronten“, die sich aus bestimmten Tejps rekrutierten, über die wirtschaftlichen Ressourcen ihrer Rayone unumschränkt verfügten und sich daraus, aber auch aus kriminellen Unternehmungen sowie teilweise aus Hilfsgeldern finanzierten, welche aus dem islamischen Ausland kamen. Kraft seiner militärischen Professionalität und seiner Stellung als Generalstabschef Dudaevs besaß Maschadov zwar hohes Ansehen bei den Feldkommandeuren, aber zwischen ihnen bestand wegen der traditionalen, sozialen und regionalen Basis dieser Strukturen kein typisch militärisches, d.h. hierarchisches Befehlsverhältnis. Daran änderte sich auch nichts, als nach dem Krieg die Freischärlerverbände in die „Streitkräfte der Tschetschenischen Republik Itschkerija“ umgewandelt wurden; die Feldkommandeure behielten ihre regionale Machtposition. Die Armee glich daher strukturell eher einem losen Haufen, der aus lokalen tejp- und klanbasierten Söldner-Kontingenten zusammengesetzt war, ein Phänomen, das zutreffend – jedenfalls in der Tendenz – als „militär-territoriale Autonomie“ bezeichnet worden ist28. 1998 sollen ca. 25 größere Kampfverbände und über 100 kleinere Gruppen bestanden haben29.

Maschadov konnte sich seinerseits nur auf die ihm persönlich ergebene „Nationalgarde“ Tschetscheniens verlassen. Hier liegt die Antwort auf die naheliegende Frage, warum der Präsident das ihm durch die Wahl so eindeutig und eindrucksvoll entgegengebrachte Vertrauen und die ihm gegebene starke Legitimation nicht dazu genutzt hat, um die Feldkommandeure zu entwaffnen und die Regionen der ihm unterstehenden zivilen Präsidialexekutive zu unterstellen. Denn mit einem solchen Vorgehen hätte er einen Bürgerkrieg riskiert, ohne daß er sich des erhofften Erfolges hätte sicher gewesen sein können. Schließlich war die legitimatorische Kraft demokratischer Wahlen im Tschetschenien jener Zeit nur begrenzt. Sie stieß an die Legitimität der Feldkommandeure, die aus dem Sieg ihrer Waffen und ihrem persönlichen Charisma als Militärführer floß, und ferner an die Legitimationswirkungen aus den regionalen Tejp-Strukturen.

Eine strategische Schwäche war die weitgehende finanzielle Unabhängigkeit der Feldkommandeure von der Zentralregierung durch ihren unmittelbaren Zugang zu bedeutenden Wirtschaftsressourcen. Zwar war die den Hauptreichtum Tschetscheniens und das Rückgrat seiner Wirtschaft ausmachende Erdölförderung und –verarbeitung durch den Krieg schwer getroffen worden30; ein Teil der ca. 20 staatlichen Unternehmen, vor allem aber viele der über das Land verteilten 776 Bohrlöcher funktionierten noch, und ihre mit mehr oder weniger primitiven Methoden betriebene Ausbeutung31 bildeten denn auch einen wesentlichen Teil der wirtschaftlichen Grundlage der meisten Feldkommandeure, waren jedoch auch Objekte ihrer Rivalität und Ursache zahlreicher mitunter gewaltsam ausgetragener Streitigkeiten zwischen ihnen.

Daneben spielten in wachsendem Maße kriminelle Formen ‚wirtschaftlicher Gewinnerzielung‘ eine Rolle; sie wurden durch den Zusammenbruch der Volkswirtschaft in der Republik infolge von Zerstörungen, Flucht und Vertreibung fast des gesamten russischen Bevölkerungsteils, aber auch hunderttausender Tschetschenen stark gefördert: Menschenraub und Menschenhandel zur Erpressung von Lösegeld wurden zu einem einträglichen „Wirtschaftszweig“32. Raubüberfälle auf Gütertransporte, auf Reisende, Viehdiebstähle gerade auch jenseits der Grenzen, illegaler Handel im „zollfreien Transit“ zwischen Rußland und den transkaukasischen sowie nahöstlichen Nachbarstaaten (Waffen, Rauschgift, Alkohol, Mädchen, Erdölprodukte usw.) gehörten zum Alltag. Dazu trat die Gefangenenhaltung und Ausbeutung geraubter Zivilisten, aber auch russischer Soldaten als Sklavenarbeiter33. Durch diese Aktivitäten wurde das vom Freiheitskampf und der sympathischen Gestalt Maschadovs anfänglich hell erstrahlende Bild der Republik Tschetschenien schon bald befleckt und verdunkelt. Das Profil des Landes entfernte sich immer weiter von seinem Anspruch auf nationale Staatlichkeit, Unabhängigkeit und internationale Anerkennung und nahm 1998 die düsteren Züge einer kriminellen Enklave im Nordkaukasus, fern von Gesetz und Recht an.

Die Kriminalisierung der Güter- und Geldbeschaffung war in erheblichem Maße keineswegs nur aus der drückenden Not eines vom Krieg zerstörten Landes geboren, sondern stellte, jedenfalls teilweise, auch eine Regression in Formen der Sicherung des Lebensunterhalts dar, die von alter kaukasisch-tschetschenischer Sitte und Gewohnheitsrecht legitimiert waren. Raubüberfälle, Menschenraub, Diebstahl und auch Ausbeutung und Verkauf Gefangener zu Sklavenarbeit gehörten nach Berichten von Kaukasus-Reisenden zum Kolorit der Bergstämme. Zwar war ihnen das Gastrecht heilig, aber es kam nicht schlechthin jedem Fremden, sondern nur demjenigen zugute, der als Gast willkommen geheißen und aufgenommen wurde34.

Der Gerechtigkeit halber muß zur Vervollständigung des Bildes und zur Entlastung der Schwere des von ihm ausgehenden Vorwurfes allerdings hinzugefügt werden, daß in die kriminellen Wirtschaftsaktivitäten zahlreiche Unternehmer, Staatsfunktionäre, Militärs aus Dagestan, aus dem Kraj Stavropol, aus Moskau und anderen Regionen Rußlands verwickelt waren und an den Geschäften verdienten; daran hat sich bis heute nichts geändert35. Die von Moskau erhobene Anklage Tschetscheniens als „kriminelle Freihandelszone“ entbehrte und entbehrt daher nicht der Heuchelei.
VII. Der mißlungene Versuch einer Integration durch Islamisierung

Als Mittel gegen die im Lande um sich greifende Anarchie und zur Erzielung politischer Handlungseinheit setzten ganz unterschiedliche politische Kräfte Tschetscheniens auf den Islam. Tatsächlich beschleunigten sie damit aber nur den Desintegrationsprozeß.

Im Nordkaukasus und speziell in Tschetschenien war das überkommene Bekenntnis zum Islam immer aufs engste mit der Tejp-Ordnung verbunden gewesen. Eine nicht unwichtige Ausnahme bildete nur die Zeit der Herrschaft Imam Schamils (bis 1859), denn die straffe Ordnung des von ihm geschaffenen theokratischen Staatswesens wandte sich gegen den in Sitte und Gewohnheitsrecht wurzelnden konkurrierenden Herrschaftsanspruch von Tejp und Tuchum36. Eine tiefgehende Wirkung hat das nicht gehabt; die Bergvölker verbanden weiterhin ihre traditionelle, vom Gewohnheitsrecht bestimmte Lebensweise mit einem Islam, der nicht kämpferisch-politisch auftrat, sondern in Gestalt des Sufismus nach innen, auf die spirituellen und rituellen Bedürfnisse der im privaten Familien- und Sippenverband lebenden Menschen ausgerichtet war. Dieser „Volksislam“ trat in zwei Richtungen (tariqat) auf, in der Lehre der Naqschbandiya und der der Qadirya37. Letztere war am Ende des Müridenkrieges (1860 – 1862) von einem Tschetschenen, dem Scheich Kunta-Chadschi, gepredigt und bei den Tejps der Gebirgsregion besonders populär geworden38.

Dadurch, daß die Tejps traditionell teils der einen, teils der anderen Richtung folgten, nahmen sie zugleich die Gestalt „konfessioneller“ Gemeinschaften („vird“) an, die in Tschetschenien – im Unterschied zu Dagestan – überwiegend dem tariqat der Qadirya folgen39. Durch die Religionsfeindlichkeit des Sowjetregimes war allerdings die religiöse Dimension des Tejp, die Verbundenheit von Tejp und vird, geschwächt worden40.

Mit der Perestrojka setzte eine islamische Renaissance im Nordkaukasus ein. Sie hat neuen intoleranten Strömungen den Weg geöffnet, dadurch das Konfliktpotential verstärkt und die Desintegration Tschetscheniens – entgegen den Absichten von Förderern dieser Entwicklung – ironischerweise beschleunigt. Dudaev förderte zusammen mit seinem auf dem Gebiet besonders engagierten Stellvertreter Jandarbiev intensiv die Wiederbelebung und Politisierung des Qadirya-tariqats41. Zugleich nahm er Kurs auf die Umwandlung Tschetscheniens in einen „islamischen Staat“ und auf die Einführung der Schari’a als staatliches Gesetz, erhob den Imam Schamil und dessen Imamat zum Vorbild und rief – wie jener – gegen Rußland nach dem Beginn des ersten Tschetschenien-Krieges den „Heiligen Krieg“ (ghasavat) aus. Zusammengenommen liefen die Maßnahmen auf eine Kampfansage an die traditionelle gewohnheitsrechtliche Sozialordnung der Tschetschenen hinaus, doch mußte sich Dudaev diesem Problem nicht mehr stellen.

Unter seinen Erben – Jandarbiev, Maschadov, Basaev, Kadyrev – sind die Widersprüche jedoch unübersehbar geworden. Bereits zur Zeit Dudaevs waren aus den islamischen Staaten des Nahen Ostens Prediger eines radikalen, „reinen“ und zugleich militant-politischen Islamverständnisses nach Tschetschenien gekommen und hatten hier – nicht zuletzt auch mit dem Lockmittel massiver finanzieller Unterstützung – zahlreiche Anhänger gewinnen können. Es entstanden, wie schon zuvor in Dagestan, erste Dschama’ate, in sich abgeschlossene, ausschließlich nach islamischem Gebot lebende Siedlungen42. Gegen diese und andere politisch orientierte islamische Gruppen polemisieren seither die russischen Medien pauschal mit dem Etikett „Wahhabiten“, eine ungenaue Bezeichnung, die alsbald aber von den politischen Akteuren auch in Tschetschenien selbst und dabei zumeist mit den gleichen polemischen Untertönen übernommen wurde43.

Maschadovs radikale, bei den Präsidentschaftswahlen unterlegene Gegner Jandarbaiev, Udugov und später auch Basaev neigten den neuen Strömungen zu. Wahhabitentum und Qadirya flossen dabei zusammen. Mit ihrer Propaganda eines militanten Islam, unter Berufung auf das „Erbe“ des Imam Schamil und auf das „Vermächtnis“ Dschochar Dudaevs versuchten sie nun gezielt, die Autorität und Legitimität des Präsidenten zu schwächen und Maschadov zu stürzen. Außerdem träumten sie davon, den politisch radikalisierten Islam zum revolutionären Funken eines antiimperialistischen Kampfes gegen Rußland im ganzen Nordkaukasus machen zu können.

Maschadov waren solche Gedanken und Visionen fremd. Er war kein islamischer Eiferer, sondern Anhänger des traditionellen Volksislam und tschetschenischer Patriot. Die „Wahhabiten“ lehnte er ebenso entschieden ab wie der Chef der Geistigen Verwaltung der Muselmanen Tschetscheniens, der Mufti Achmad-Chadschi Kadyrov, auf dessen Unterstützung im Kampf gegen Islamisten sich Maschadov verlassen konnte. Wie seine radikalen Herausforderer folgte aber auch Maschadov dem Konzept, den Islam als Ressource zur Stärkung der politischen Einheit des Volkes und zur Eindämmung der aus der Tejp-Ordnung fließenden Desintegrationstendenzen zu nutzen44, – ob aus Überzeugung, Kompromißbereitschaft oder Kalkül, muß offenbleiben. Keinesfalls wollte er seinen Gegnern dieses wichtige Feld der politisch-ideologischen Auseinandersetzung überlassen. Um es organisatorisch unter Kontrolle zu bekommen, initiierte er im August 1997 auf breiter, landesweiter Grundlage die Bewegung „Tschetschenischer Islamischer Staat“45, womit er sich freilich zum Gefangenen einer Entwicklung machte, die Jandarbiev als Interimspräsident in Gang gesetzt hatte: Schon im November 1996, d.h. kurz vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen Tschetscheniens, war unter Änderung der Verfassung der Islam zur „Staatsreligion“ erklärt worden46. Bald danach richtete man neben den aus sowjetischer Zeit fortbestehen Volksgerichten „Schari’a-Gerichte“ ein, die von nun an für die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Moslems allein zuständig waren. Der Schritt war auch in Tschetschenien umstritten. Man rechtfertigte ihn mit der – zweifelhaften – Begründung, wegen der Sittenstrenge des Islam seien die Schari’a-Richter unbestechlich und daher die Autorität der Schari’a-Gerichte bei den Tschetschenen höher als die der verachteten „russischen“ Gerichte47. Hauptmotiv der islamischen Gerichtsreform war jedoch, Tschetschenien zur weiteren Stärkung seiner Unabhängigkeit aus dem Rechtsraum Rußlands herauszulösen.

Ernster ist vielleicht die Begründung bzw. Erwartung zu nehmen, die Schari’a-Gerichte seien wegen ihrer höheren Akzeptanz bei den Tschetschenen gegenüber der in Sitte und Gewohnheitsrecht verankerten Blutrache ein stärkeres Gegengewicht als die russischen Gerichte, deren Entscheidungen, wie die Erfahrung gezeigt habe, blutracheträchtige Streitigkeiten nicht verbindlich beenden könnten. In der Tat hat die Zunahme gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen den Tejps, der um sich greifende Raub fremder Tejp-Angehöriger während der beiden Tschetschenien-Kriege das auf Vollzug drängende Gesetz der Blutrache zusätzlich zu einer schweren Belastung der tschetschenischen Gesellschaft gemacht. Bezeichnenderweise stellt Ruslan Chasbulatov, der frühere russische Parlamentspräsident und selbst Tschetschene aus dem Nord-Terek-Gebiet (Dorf Tol’stoj-jurt), ihre Bewältigung an die zweite Stelle eines Katalogs künftig in Tschetschenien zu lösender Hauptprobleme48. Sehr viele Familien seien davon betroffen. Leider erfährt man über die Ausmaße dieses Problems aus der aktuellen Tschetschenien-Berichterstattung noch weniger als über die Tejps, aber es bildet – wie jenes – einen allgegenwärtigen Hintergrund des politischen Geschehens.

Im November 1997 erklärte Maschadov Tschetschenien zur „Islamischen Republik“49. Konsequenzen wurden daraus erst viel später gezogen: Im Februar 1999 erklärte Maschadov per Dekret die Schari’a zum allgemeinverbindlichen Recht der Republik, erklärte die Gesetzgebungsfunktion des Parlaments für beendet und gab den Abgeordneten und dem Müftiat den Auftrag, eine neue, nunmehr islamische Verfassung auszuarbeiten50. Mit diesem Schritt verließ Maschadov endgültig den Boden der Verfassung, entzog damit seiner Legitimität als Präsident den Boden und gab seinen entscheidenden politischen Vorteil gegenüber seinen islamistischen Herausforderern preis. Ein Verfassungsentwurf wurde zwar im Frühjahr 1999 fertiggestellt, aber zu seiner Verabschiedung per Referendum kam es wegen des erneuten Kriegsausbruchs nicht mehr.

Die Gefahr für Maschadov, zum Opfer eines Oppositionsbündnisses aus materiell-wirtschaftlich interessierten Feldkommandeuren und seinen islamistischen Herausforderern zu werden, wurde im Sommer 1998 greifbar, als er die Entführung des rußländischen Präsidentenvertreters in Tschetschenien, Valentin Vlasovs (1. Mai), zum Anlaß nahm, den Ausnahmezustand zu verhängen (23. Juni), um auf solche Weise wirkungsvoller die Kriminalität und insbesondere die Seuche der Entführungen bekämpfen zu können51. Drei Wochen später kam es in Gudermes, der zweitgrößten Stadt des Landes, zu blutigen Kämpfen zwischen Einheiten der Nationalgarde des Präsidenten und islamistischen Kampfverbänden („Schari’a-Garde“; „Islamisches Regiment“)52. Als Maschadov darauf mit der Auflösung aller „wahhabitischen“ Organisationen, ferner mit dem Verbot von islamistischen Medien antwortete und die Ausweisung der im Bunde mit Feldkommandeuren agierenden, aus arabischen Ländern stammenden Freischärler ankündigte53, wurde auf ihn im Zentrum Groznyjs ein Attentat verübt (23. Juli), dem er nur knapp entging54.

Maschadov Maßnahmen blieben nicht nur ohne Wirkung, sondern es formierte sich im September 1998 mit der Reanimierung des einst von Dudaev geschaffenen „Gesamtnationalen Kongresses des tschetschenischen Volkes“ ein Oppositionsbündnis, an dessen Spitze neben dem berüchtigten Abenteurer Sal’man Raduev die noch kurz zuvor in Maschadovs Regierung sitzenden Schamil Basaev und Chunkarpasch Israpilov, letzterer als Chef des „Antiterroristischen Zentrums“, traten55. Zwar erreichte Maschadov, daß Raduev vom „Höchsten Schari’a-Gerichtshof“ wegen Umsturzversuches zu vier Jahren verurteilt wurde56 (4.11.1998), aber der Präsident besaß nicht mehr die Autorität, die Vollstreckung des Urteils durchzusetzen; Raduev bewegte sich praktisch weiter frei im Lande und selbst in der Hauptstadt Groznyj57. Vielleicht hat Maschadov darauf gehofft, durch die objektive institutionelle „islamische“ Autorität der von ihm als Präsident begrenzt kontrollierten Schari’a-Gerichte gerade die islamistische Opposition in Schach halten zu können. Die Rechnung konnte jedoch wegen der faktischen Unangreifbarkeit der Feldkommandeure nicht aufgehen.

So trieb das Land 1999 immer tiefer in die Anarchie seiner übermächtigen partikularen Kräfte. Als dann die Kampftruppen des „Jordaniers“ Al Chattab und die des von Basaev und Udugov angeführten „Kongresses der Völker Tschetscheniens und Dagestans“ im Juli 1999 in die Nachbarrepublik Dagestan einmarschierten58, und handfeste Reaktionen Maschadovs hierauf ausblieben, kam dies einer Kapitulation des Präsidenten, dem Eingeständnis seiner Ohnmacht gleich. Maschadovs Name ist seither nur noch ein Symbol, von dem keine Leuchtkraft mehr ausgeht59.

VIII. Moskaus vorläufige Verwaltung Tschetscheniens

Da Präsident Maschadov schon vor dem Ausbruch des zweiten Tschetschenien-Krieges kaum mehr als seine eigene Hausmacht repräsentierte, könnte man Verständnis dafür aufbringen, daß Moskau es bisher abgelehnt hat, ihn als Verhandlungspartner zu akzeptieren, – wenn dies tatsächlich der Grund für die Ablehnung wäre. Er ist es jedoch nicht. Denn die Konzeption Präsident Putins für die Lösung des Tschetschenien-Problems orientiert sich nicht mehr an dem Modell von Verhandlungen zwischen Tschetschenien und Rußland, wie es bis 1998 praktiziert worden war, sondern an dem Grundsatz einer einseitig von Moskau oktroyierten militärisch-administrativen Regelung60. Wie diese aussehen soll, kann man an der von Putin am 8.6.2000 durch Dekret errichteten (vorläufigen) „Verwaltung der Tschetschenischen Republik“61 und insbesondere an den Personalentscheidungen bereits in Umrissen erkennen. Während die Verwaltungschefs vieler der insgesamt 18 Rayone Russen sind, wurde zum zentralen Chef der Administration der Müfti Tschetscheniens Kadyrov, zu dessen Stellvertreter Bislan Gantamirov ernannt62. Die Personalentscheidungen folgten einem vertrauten, nur allzu bekannten Grundmuster: Kadyrov entstammt einem der bedeutendsten Tejps des Landes, nämlich dem in der zweitgrößten Stadt Tschetscheniens Gudermes basierten Tejp Benoj, Gantamirov hingegen, wie oben bereits bemerkt, dem Tejp Tschanchoj63. Nun besteht ein Rivalitätsverhältnis nicht nur zwischen diesen beiden Tejps, sondern auch ein Verhältnis persönlicher Feindschaft zwischen Kadyrov und Gantamirov, die bereits im ersten Tschetschenien-Krieg, den Kadyrov offiziell zum „Heiligen Krieg“ ausgerufen hatte, auf verschiedenen Seiten gekämpft hatten. Schon im Vorfeld hatte Gantamirov nichts unversucht gelassen, die im Juni erfolgte Ernennung Kadyrovs durch Präsident Putin zu verhindern, jedoch erfolglos. Mit der Ernennung dieser beiden Persönlichkeiten folgt Moskau – wie seit Jahrhunderten – unverändert dem Prinzip ‚Teile und herrsche‘.

Auch nach ihrem persönlichen Profil und Charakter könnten die beiden Repräsentanten der Verwaltung kaum unterschiedlicher sein. Kadyrov genießt in Tschetschenien ein gewisses Ansehen als geistiges Oberhaupt, verfügt aber über keinerlei Erfahrung in der staatlichen Verwaltung, in Wirtschaft und Finanzen. Für die praktischen Aufgaben des Wiederaufbaus fehlen ihm die nötigen Voraussetzungen. Immerhin gilt er aber als integre Persönlichkeit. Von Gantamirov, der in der Verwaltung für den Sicherheitsapparat zuständig ist und dem die tschetschenischen Polizeikräfte unterstehen, gilt das Gegenteil. Seine Ernennung kann man nur als zynische Provokation bezeichnen. Der ehemalige Bürgermeister von Groznyj war 1998 von einem Moskauer Gericht wegen Unterschlagungen großen Umfanges zu sechs Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden64, im November 1999 von Jelzin aber begnadigt worden, um seine Erfahrungen und Verbindungen bei der Rückeroberung Groznyjs auszunutzen. Binnen kurzer Zeit konnte Gantamirov schon bald über tausend Mann aus seinem Tejp- und Klan-Anhang um sich scharen. Die Armeeführung war mit seinem Einsatz offensichtlich sehr zufrieden; Generalstabschef Kvaschnin beförderte ihn persönlich zum Oberst.

    Gantamirovs Tätigkeit als Verwaltungschef gestaltete sich vom ersten Tage an so, wie es allgemein erwartet worden war: Er weigerte sich, seinen Dienst am Amtssitz der vorläufigen Verwaltung in Gudermes auszuüben, da ihm hier die Tejp-Basis fehlte, und zog demgegenüber die ihm vertraute Stadt Groznyj vor, wo er seither residiert. Hier sorgte er dafür, daß ein naher Verwandter von ihm, Sup’jan Mochtschaev, zum Bürgermeister Groznyjs ernannt und die Bezirksverwaltungen der Stadt von weiteren Angehörigen des Tejps Tschanchoj übernommen wurden. Vertraute von Gantamirov aus demselben Tejp übernahmen auch die Führungspositionen in Urus-Martan und Artschnoj-Martan.

Als prominenter Vertreter des Tejp Benoj unterstützt Kadyrov wohlwollend den Plan Moskaus, die Hauptstadt des Landes nach Gudermes zu verlegen, stößt damit allerdings auf den entschiedenen Widerstand Gantamirovs, der von dieser Lösung eine erhebliche Schwächung seines Einflusses zu befürchten hätte.

Kadyrov wollte seinerzeit keinesfalls die Klan-Bildung seines Stellvertreters hinnehmen. Als er die Ernennungen Gantamirovs im Juli aufhob, kam es zwischen beiden zur offenen Konfrontation: Am 18. Juli 2000 zog Gantamirov, begleitet vom Bürgermeister Groznyjs, mit 200 Milizionären seiner „Tschetschenischen Miliz“ nach Gudermes, umzingelte den Amtssitz Kadyrovs und versuchte ihn zu zwingen, die Personalentscheidungen rückgängig zu machen. Ein von den russischen Militärkommandanten arrangiertes Vermittlungsgespräch blieb – erwartungsgemäß – ohne Ergebnis, denn Gantamirov beharrte unnachgiebig auf seinen Forderungen, die Positionen in Groznyj nach eigenem Ermessen besetzen zu dürfen.

So wirkt der Spaltpilz der Tejp-Ordnung, dem die „Tschetschenische Republik Itschkerija“ zum Verhängnis geworden ist, auch bereits in der „Verwaltung Tschetscheniens“ russischer Ägide, kaum daß sie eingerichtet worden ist.

Man darf Präsident Putin glauben, daß ihm die Ernennung Kadyrovs nicht leichtgefallen ist65.

Freilich hätte er sich auch für den prominentesten Tschetschenen im Moskauer Zentrum, den früheren Parlamentspräsidenten Rußlands, Chasbulatov, entscheiden können, der sich seit 1994 als „dritte Seite“ und personelle Alternative für ein loyales Tschetschenien bereit und im Gespräch hält. Aber Chasbulatov gilt als zu eigenwillig und könnte im übrigen die Kadyrov vom Kreml gestellte Aufgabe auch nicht erfüllen, denn Moskau braucht den Müfti, um mit seiner Hilfe kriegsmüde Feldkommandeure zur Niederlegung der Waffen zu überreden66. Zugleich dient die Ernennung zweier verfeindeter tschetschenischer Führer der Kontrolle ihrer Arbeit. Sie verhindert, daß sie einvernehmlich an Moskau vorbei tschetschenische Interessen verfolgen. Der Zustand der vorläufigen Verwaltung Tschetscheniens zeugt, zusammengenommen, nicht von dem ernsten Willen, die Lage in Tschetschenien zügig zum besseren zu wenden67.

IX. Schlußfolgerungen

  1. Die von Tschetschenen verschiedener politischer Richtungen bis heute vertretene These, man müsse sie nur allein gewähren lassen und sich nicht von außen in ihre Angelegenheiten einmischen, dann werde man bald eine durchgreifende Besserung der Lebensverhältnisse erreichen, ist durch die Erfahrung des letzten Jahrzehnts gründlich widerlegt worden. Die Chance hierzu bestand vom August 1996 bis zum August 1999, als Tschetschenien praktisch unabhängig war und über Verfassungsinstitutionen (Präsident; Regierung, Parlament; Verfassungsgericht) mit klarer, zuvor nicht gekannter demokratischer Legitimation verfügte. Die politisch-militärische Elite des Landes, die Inhaber realer – zentraler und regionaler – Macht haben diese Chance nicht ergriffen, sondern ihre Egoismen über das Gemeininteresse am Wiederaufbau und an der Schaffung eines funktionsfähigen Nationalstaates gestellt und das Land ins Chaos gestürzt. Eine nicht wiederkehrende historische Chance wurde damit verspielt. Auf Präsident Maschadov lastet die Schuld, diese Entwicklung nicht verhindert zu haben.
  2. Das Territorium Tschetscheniens ist infolge zweier wider alle Vorschriften des humanitären Völkerrechts geführter Kriege so sehr verwüstet und zerstört worden, daß sich die Republik nicht mehr aus eigener Kraft – weder administrativ noch infrastrukturell und wirtschaftlich – auf ein modernes zivilisatorisches Mindestniveau emporarbeiten kann. Die eigenen Kräfte sind durch große Menschenverluste, zahllose Tote, Verwundete, Krüppel, durch das Elend von in die hunderttausende gehenden Flüchtlingen erschöpft und darüberhinaus durch Feindschaft, Haß und Mißtrauen ausgezehrt und vergiftet. Tschetschenien braucht daher für seinen Wiederaufbau, seine innere Gesundung und Erneuerung Unterstützung und Hilfe von außen. Diese kann und muß selbstverständlich aus der Rußländischen Föderation selbst kommen, von seiten ihrer Zentralregierung, ebenso aber auch aus den Nachbarregionen Tschetscheniens.Der Möglichkeit und Wirksamkeit der Hilfe von diesen Seiten legen sich jedoch große Hindernisse in den Weg. Die finanziellen und wirtschaftlichen Ressourcen der Moskauer Zentralregierung sind bekanntermaßen so dürftig, daß sie nicht einmal entfernt für die elementaren Aufgaben der föderalen Ressorts ausreichen, und die Nachbarregionen Tschetscheniens – Dagestan, Inguschetien, Nord-Ossetien, Kraj Stavropol – selbst vom Krieg teilweise schwer in Mitleidenschaft gezogen, gehören zu den ärmsten, strukturschwächsten Regionen der Föderation. Tschetschenien kann nachhaltige Hilfe von ihnen gar nicht, vom föderalen Zentrum nur sehr begrenzt erwarten.

    Was – in psychologischer Hinsicht – die Hilfsbereitschaft auf russischer Seite anbetrifft, tendiert sie infolge der erlittenen Kriege und der verbreiteten rassistisch-diskriminatorischen Grundeinstellung gegenüber den Tschetschenen von vornherein gegen Null. Hilfe für Tschetschenien ist im verarmten Rußland von heute nicht populär.

    Umgekehrt fördert die traumatische Erfahrung der Tschetschenen mit den Behörden, Polizei und Streitkräften Rußlands ebenso wenig die Bereitschaft zu einer engen, von Einvernehmen und Vertrauen getragenen Zusammenarbeit. Die Kette enttäuschender Erfahrungen im Regierungsalltag ist lang, und weitere Glieder fügen sich ihr laufend an, wie ein Blick auf die Groteske der von Moskau berufenen vorläufigen Verwaltung Tschetscheniens oder auf die gegenwärtige Verwaltung des staatlichen tschetschenischen Erdöl- und Erdgaskomplexes lehrt, dessen Gewinne nun in die privaten Taschen – russischer – ziviler und militärischer Klanstrukturen fließen68.

    Und dennoch könnte hier, nämlich im industriellen Energiesektor, ein wichtiger Schlüssel für den Wiederaufbau Tschetscheniens liegen. Mögen die Reserven an Erdöl und Erdgas der Republik für Rußland insgesamt eine inzwischen nur noch geringe Bedeutung haben, so gilt gleiches keineswegs für Tschetschenien selbst, sofern die von seinen Energieunternehmen erwirtschafteten Gewinne in der Republik verbleiben könnten und verbleiben würden. Es wäre dies ein Faktor, der eine gute Grundlage für die wirtschaftliche Erneuerung der Republik abgeben könnte69. Die Moskauer Zentralregierung müßte freilich dazu bereit sein, den tschetschenischen Energiesektor Tschetschenien zu überlassen, und eine entsprechende Grundsatzentscheidung treffen. Zwar ist ein derartiger Schritt nicht ausgeschlossen, aber vorläufig ziemlich unwahrscheinlich.

  3. Unter diesen Umständen stellt sich ganz von selbst die Frage, in welcher Weise Tschetschenien heute und mittelfristig von ausländischer Seite Hilfe geleistet werden könnte. Besonders dringend wären natürlich Investitionen in den Wiederaufbau des Energiesektors und der Kommunikationssysteme des Landes, aber es liegt auf der Hand, daß zumindest vorläufig in das „in die Steinzeit zurückgebombte“ und weiterhin durch einen nicht weniger brutalen Partisanenkrieg zerrissene Tschetschenien70 kein ausländischer Investor gehen wird, obwohl ein entsprechendes Engagement für die Konfliktverringerung in Tschetschenien und seine innere Befriedung von überragender Bedeutung wäre.Im vorliegenden Zusammenhang näher liegen Überlegungen, in welcher Weise internationale Organisationen und namentlich die OSZE an der Aufgabe der Kriegsbeendigung und im weiteren einer friedlichen Entwicklung in Tschetschenien mitwirken könnte. Die OSZE ist längst diejenige Organisation, die über die intensivsten Erfahrungen und zugleich über hohe Verdienste bei der Vermittlung und Dämpfung des Konflikts zwischen Rußland und Tschetschenien in der Vergangenheit verfügt71. Es ist daher ein wichtiger Erfolg, daß Rußland erneut der Präsenz einer OSZE-Unterstützungsgruppe in Tschetschenien mit Sitz in Znamenskoe/Nord-Terek-Gebiet zugestimmt hat72. Die wichtigsten Teile ihres Mandats sind Hilfestellung beim Aufbau demokratischer Institutionen in Tschetschenien und Vermittlungsdienste bei der politischen Regulierung des Konflikts mit dem Ziel einer Beendigung der Kämpfe. Es ist klar, daß letzteres Vorrang besitzt. Zur gegenwärtigen Zeit stellt sich die Aufgabe, laufende Gesprächskontakte mit den im Untergrund agierenden tschetschenischen Partisanen, namentlich mit Aslan Maschadov herzustellen. Man könnte dabei auf den 1996 gemachten Erfahrungen aufbauen, die zu dem Waffenstillstandsabkommen von Chasavjurt geführt hatten. ‚Chasavjurt‘ wird sich freilich nicht mehr wiederholen lassen, denn die Präsenz russischer Sicherheitskräfte in Tschetschenien wird von Moskau wohl nicht mehr zur Disposition gestellt werden. Schließlich dient der noch anhaltende zweite Tschetschenien-Krieg der Wiederherstellung der territorialen Integrität Rußlands, das sich im Prinzip hierbei der Unterstützung insbesondere der westlichen Staaten sicher weiß.

    Gleichwohl gibt es unterhalb der Moskauer Essentials nicht unerhebliche Spielräume für die Regelung von Fragen, welche die künftige Ordnung einer „Tschetschenischen Republik innerhalb Rußlands“ betreffen. Hier tut sich für die Vermittlungstätigkeit der OSZE und ihrer Unterstützungsgruppe ein breites Aktionsfeld auf, das in enger Zusammenarbeit mit dem Europarat zu beackern wäre.

    Eine weitere wichtige Dimension einer auf Vertrauensbildung und zugleich Kontrolle durch internationale Präsenz gerichteten Tätigkeit wären laufende Kontakte der OSZE-Unterstützungsgruppe mit der vorläufigen Verwaltung Tschetscheniens sowie mit den Stäben der auf tschetschenischem Territorium agierenden Sicherheitskräfte, des Verteidigungsministeriums, des Innenministeriums und des Staatssicherheitsdienstes FSB Rußlands. Eines der Hauptziele dieser Kontakte müßte die Bekämpfung und Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen durch marodierende russische Truppenteile sein – heute ein Hauptproblem der militärischen Präsenz in Tschetschenien, das die Bevölkerung in die Arme der Partisanen treibt und den Krieg künstlich verlängert.

    In der Perspektive könnte die OSZE ferner wesentlich zur Konfliktmilderung beitragen, wenn sie sich erfolgreich bei der Moskauer Zentralregierung dafür einsetzen würde, die Gewinne aus der tschetschenischen Erdöl- und Erdgasindustrie der Republik zu lassen. Dazu müßte allerdings ein Verwaltungsmodell entwickelt werden, das den privaten Zugriff tschetschenischer und russischer Klane auf die Ressourcen ausschließt. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Tejp- und Klanstrukturen und der endemischen Korruption wäre das zwar eine „Herkules-Aufgabe“, deren Lösung aber in jedem Fall anzustreben wäre. Dazu müßte die Einbeziehung internationaler Wirtschaftsorganisationen und renommierter Consultingfirmen geprüft und ermöglicht werden.

  4. Eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg der Mission der OSZE-Unter-stützungsgruppe ist, daß sie bei ihrer Vermittlungsarbeit nicht weiter mit der Hypothese einer Offenhaltung des politisch-verfassungsrechtlichen Status Tschetscheniens arbeitet, sondern ihre Aufgabe darin sieht, dabei mitzuhelfen, daß die Republik Tschetschenien einen gleichberechtigten Platz in der Rußländischen Föderation erhält, um ihr eine friedliche Entwicklung im Spannungsfeld von Autonomie und Integration zu ermöglichen. Auf der Ebene eines föderalen Mitgliedes („Subjekts der Föderation“) stellt sich dabei für Tschetschenien auch in Zukunft die unter dem Vorzeichen des Strebens nach Unabhängigkeit ungelöste Aufgabe der Herausbildung einer funktionsfähigen modernen Staatlichkeit. Ihre Lösung wäre mit einer allmählichen Transformation der Tejp-Ordnung verbunden. Dies wäre – bestenfalls – eine langfristige Perspektive.Mittelfristig stellt sich das Problem der Bildung demokratischer Institutionen. Damit ist das weitere Mandat der OSZE-Unterstützungsgruppe angesprochen. Als Mitorganisatorin der Wahlen vom Januar 1997 kann sie auch insofern auf große Erfahrungen zurückgreifen. Im Blick auf die Tejp-Strukturen der Gesellschaft ist die Wahl eines Parlaments besonders wichtig, denn es beteiligt die Tejps in einem breiteren Umfange an der Staatsmacht und erweitert ihre Repräsentation auf der zentralen Ebene der Republik. Das Parlament könnte dabei wesentliche Clearing-Funktionen im Interessenausgleich zwischen Regionen, Klans und Tejps erfüllen und so erheblich zur Verringerung des Konfliktpotentials in Tschetschenien beitragen.

Zur Person: Prof. Dr. Otto Luchterhandt ist an der Universität Hamburg, Seminarabteilung für Ostrechtsforschung, tätig.

Fußnoten:

1 Auch wenn er noch in der Form eines Partisanenkrieges anhält und Tschetschenien weit von einer auch nur äußerlichen „Befriedung“, dem Schweigen der Waffen, entfernt ist, ist eine erneute politisch-militärische Niederlage Rußlands praktisch ausgeschlossen. Die auf seinen bekannten doktrinären Grundannahmen beruhende Gegenansicht Samuel Huntingtons ist nicht haltbar. Vgl. ders.: Der Groznyj-Wahn. Rußland kann nicht gewinnen, in: Süddeutsche Zeitung v. 21.12.1999, S. 17.
2 Im Überblick Kappeler, Andreas: Rußland als Vielvölkerreich, Entstehung, Geschichte, Zerfall, München 1992, S. 149 ff.
3 Die Vorgänge in Abchasien nach 1989 bilden davon keine Ausnahme.
4 Zur Forschung den Überblick bei Alter, Peter: Nationalismus, Frankfurt/M. 1985, S. 24 ff.
5 Halbach, Uwe: ‚Heiliger Krieg‘ gegen den Zarismus, in: Kappeler, Andreas/Simon, Gerhard/Brunner, Georg (Hrsg.): Die Muslime in der Sowjetunion und Jugoslawien, Köln 1989, S. 213-234.
6 Bugaj, Nikolaj: Pravda o deportacii tschetschenskogo i inguschskogo narodov, in: Voprosy istorii 1990, Nr. 7, S. 40 ff.
7 Iskanderjan, Alexander: Der islamische Radikalismus im Nordkaukasus, in: Wostok 1998, Nr. 6, S. 20-22.
8 Vgl. Götz, Roland/Halbach, Uwe: Politisches Lexikon Rußland. Die nationalen Republiken und Gebietseinheiten der Rußländischen Föderation, München 1994, S. 330-350 (335).
9 Die Darstellung folgt hier u.a. Kosven, M. O./Lavrov, L. J./Nersesov, G. A./Chaschaev, Ch. O. (Red.): Narody kavkaza I., Moskau 1960, S. 345-390 (365 ff.); Kuscheva, E. N.: Narody severnogo kavkaza i ich svjazy s Rossiej v XVI-XVII vv, Moskau 1963, S. 60 ff.; Rotar‘, Igor‘: Tadschikskaja i tschetschenskaja smuty. Sravnitel’nyj analiz dvuch konfliktov, in: Nezavisimaja gazeta v. 15.5.1997, S. 5. Die Namen der Tejps enden typischerweise auf das Suffix „oj“. Besonders bekannt sind Benoj, Contaroj, Curschaloj, Belgotoj, Arschenoj, Schatoj, Tschanchoj.
10 Ilja Maksakov erwähnt dieses Organ, dessen tatsächliche Bedeutung in Geschichte und Gegenwart Tschetscheniens noch nicht untersucht worden ist. Vgl. Tschetschnja priblizilas‘ k chaosu, in: Nezavisimaja gazeta v. 27.1.1999, S. 5.
11 Rotar‘, Tadschikskaja (Anm. 9), 1. Sp.
12 Ljubavskij, M. K.: Obzor istorii Russkoj kolonizacii s drevnejschich vremen do XX veka, Moskau 1996, S. 392 ff.
13 Dazu Karmann, Rudolf: Der Freiheitskampf der Kosaken. Die Weiße Armee in der Russischen Revolution 1917-1920, Puchheim 1985, S. 453 ff.; 588 ff.
14 Doku Gapurovitsch Zavgaev wurde 1940 im Dorf Beno-Jurt, Nadteretschnyj Rayon, geboren, hatte die Bilderbuch-Karriere eines Parteifunktionärs gemacht. Vgl. Kto est‘ kto v Rossii i blischnem zarubesch’e. Spravotschnik, Moskau 1993, S. 249.
15 Dudaev war im April 1944, also nach der Deportation in Pervomajskoe, d.h. im Westen der Tschetscheno-Inguschischen Republik, geboren worden, stammte also nicht aus der tschetschenischen Kernregion. Seine Tejp-Zugehörigkeit konnte der Verfasser nicht klären. Die Tatsache seiner Geburt in der Heimat nach der Deportation nutzten seinen Gegner, um die Familie Dudaevs in politischen Verdacht zu bringen. Vgl. Obschtschaja gazeta v. 13.-19.11.1997, S. 5.
16 Der Name wurde zur Bezeichnung eines der acht Verwaltungsbezirke in dem 1860/62 gebildeten „Terek-Gebiet“ verwendet (vgl. Esadze, Semen (Hrsg.): Istoritscheskaja zapiska ob upravlenii kavkazom, tom I, Tiflis 1907, S. 197 f.). Eigentlich trug er den Namen Nachtschimachkovskij. Er verweist damit auf die Selbstbezeichnung der Tschetschenen Nochtscho (auch: Nachtschi, Nachtschoj) und auf den im oberen Argun-Tal gelegenen gleichnamigen Ort.
17 Rotar‘, Igor‘: Tschetschnja: Davnjaja smuta, in: Izvestija v. 27.10.1995, S. 5.
18 Dazu Chantré, Ernest: Recherches anthropologiques dans le Caucase, Band 4, Paris 1887, S. 100 ff.
19 Zur Entwicklung vgl. den Überblick bei Soldner, Markus: Rußlands Tschetschnja-Politik seit 1993. Der Weg in den Krieg vor dem Hintergrund innenpolitischer Machtverschiebungen, Hamburg 1999, S. 98 ff.
20 Ausführlich dazu Soldner, a.a.O., S. 109 ff.
21 Zu ihm Krutikov, Jevgenij: Natschalo konca tschanchojskoj grupirovki, in: Novoe vremja 1996, Nr. 20 (Mai), S. 19/20; FAZ v. 3.5.2000, S. 16; v. 19.7.2000, S. 2.
22 Gantamirov war 1963 in dem Dorf Gechi, westlich von Urus-Martan, geboren worden.
23 Salambek Chadschiev wurde Regierungschef, stellvertretender Innenminister sein Vetter Movladi Chadschiev, stellvertretender Handelsminister seine Schwester Tamara Datschaeva, stellvertretender Ministerpräsident und Bauminister der Bruder Deni Chadschiev, stellvertretender Bauminister sein Schwiegersohn Eld’dachanov. Der Direktor des Zentralbasars von Groznyj ein anderer Vetter des Regierungschefs usw.
24 Kommersant daily v. 28.7.1998, S. 5.
25 Moskau hoffte auf eine Reintegration Tschetscheniens in die föderalen Verfassungsorgane, namentlich darauf, Maschadov werde seinen Sitz im Föderationsrat der Föderalversammlung Rußlands einnehmen. Darin täuschte es sich jedoch. Vgl. Kommersant daily v. 5.2.1997, S. 5.
26 Schwanitz, Simone/Fahrner, Andreas: Wahlbeobachtung bei den Präsidentschaftswahlen in Tschetschenien, in: Aktuelle Analysen (BIOst)1997, Nr. 12 (8.4.1997), S. 4.
27 Nur in seinem Heimatort Vedeno und der Nachbarschaft siegte er klar. Vgl. Dubnov, Vadim: Iz Groznogo v Dschochar-galu i obratno, in: Novoe vremja 1997, Nr. 5 (Februar), S. 6-10 (8); siehe auch die spätere Reportage aus dem Ort von Hoffmann, Christiane in FAZ v. 13.5.1997, S. 8.
28 So Vladimir Zorin, der damalige Vorsitzende des Ausschusses der Staatsduma für Nationalitätenfragen, vgl. Nezavisimaja gazeta v. 24.7.1998, S. 1/3 (3).
29 So Koslatschkow, Alexej: Kommt es im Kaukasus zu einem Aufstand? In: Wostok 1998, Nr. 6, S. 23-26 (24).
30 Leskov, Sergej: Gorduju Tschetschnju sogrevaet rossijskoe teplo, in: Izvestija v. 14.9.1994, S. 4.
31 Über die Situation heute Politkovskaja, Anna: Truba, in: Novaja gazeta v. 31.7.-6.8.2000 (Nr. 34), S. 1/7.
32 Skagestad, Odd Gunnar: Die Hoffnung nicht aufgeben. Die Erfahrungen der OSZE-Unterstützungsgruppe in Tschetschenien, in: OSZE-Jahrbuch 1999, hrsg. v. IFSH, Baden-Baden 1999, S. 239-253 (244); Luchterhandt, Otto: Dagestan, in: Hamburger Beiträge des IFSH, Heft 118 (1999), S. 22 f.
33 Nezavisimaja gazeta v. 25.5.2000, S. 4.
34 Zu diesem Aspekt Halbach, Uwe: Die Bergvölker (gorcy) als Gegner und Opfer: Der Kaukasus in der Wahrnehmung Rußlands, in: Kleine Völker in der Geschichte Osteuropas. Festschrift für Günther Stökl zum 75. Geburtstag, Stuttgart 1991, S. 52-65 m.w.N.
35 „Eindrucksvoll“ ist insofern die Recherche von Politkovskaja, Truba (Anm. 31).
36 Dazu Halbach, ‚Heiliger Krieg‘ (Anm. 5).
37 Nasardinov, Sulim: Mify o religii i polititscheskaja praktika, in: Nezavisimaja gazeta v. 23.2.1996, S. 3.
38 Zu seinen gemeinschaftsbildenden Formen gehörte der von Männern getanzte Zikr (auch: Zikra), der damals und erneut während des ersten Tschetschenien-Krieges Kampfbereitschaft gegen die russische Fremdherrschaft ausdrückte. Zum ganzen Esadze, Istoritscheskaja zapiska (Anm. 16), S. 217 f.; Rotar‘, Tadschikskaja (Anm. 9), S. 2/3; Halbach, ‚Heiliger Krieg‘ (Anm. 5), S. 217 ff.
39 Nasardinov, Mify (Anm. 37), S. 3.
40 Iskanderjan, Alexander: Der islamische Radikalismus (Anm. 7), S. 20.
41 Dschabarov, Ramazan: Extremisten gegen Traditionalisten, in: Nezavisimaja gazeta v. 20.10.1999, S. 8; deutsch: Glaube in der 2. Welt, 28. Jg. (2000), Nr. 3, S. 15-18.
42 Dazu Luchterhandt, Otto: Dagestan – ethnisches „Pulverfaß“ am Kaspischen Meer, in: OSZE-Jahrbuch 1999, Baden-Baden 1999, S. 255-278 (266 ff.).
43 Dazu Halbach, Uwe: „Wahhabiten“ im Kaukasus und Zentralasien, in: Aktuelle Analysen (BIOst) 1998, Nr. 19 (12.5.); aus russischer Sicht: Ignatenko, Aleksandr: Islamizacija po-tschetschenski, in: Nezavisimaja gazeta v. 20.11.1997, S. 5.
44 Schevtschenko, Maksim: Kakoe gosudarstvo stroit Tschetschnja, in: Nezavisimaja gazeta v. 12.8.1998, S. 1/3.
45 Ignatenko, Islamizacija (Anm. 43), 4. Sp.
46 Art. 4 i.d.F. des Verfassungsänderungsgesetzes v. 11.11.1996. Vgl. Ignatenko, a.a.O. 1. Sp.
47 Kamakin, Andrej: ‚My prosto chotim navesti porjadok‘, in: Nezavisimaja gazeta v. 25.9.1997, S. 1/3.
48 Vgl. seinen programmatischen Grundsatzartikel, mit welchem sich Chasbulatov für die Position des Verwaltungschefs für Tschetschenien empfehlen wollte: Tschetschnja: Poslednjaja nadeschda. Kak nado zaverschit‘ konflikt, in: Nezavisimaja gazeta v. 23.5.2000, S. 8. An die erste Stelle rückte Chasbulatov die Lösung des „Tejp-Problems“ (!).
49 Nezavisimaja gazeta v. 6.11.1997, S. 3.
50 Nezavisimaja gazeta v. 5.2.1999, S. 5.
51 Vgl. Moskovskie novosti v. 17.-24.5.1998 (Nr. 19), S. 6/7. 1998 wurde insgesamt zum Schicksalsjahr Maschadovs. Siehe Halbach, Uwe: Die Tschetschenische Republik Itschkeria 1998, in: Aktuelle Analysen (BIOst) 1998, Nr. 49 (30.11.).
52 Nezavisimaja gazeta v. 21.7.1998, S. 5.
53 Kommersant daily v. 23.7.1998, S. 3.
54 Kommersant daily v. 24.7.1998, S. 1; Nezavisimaja gazeta v. 24.7.1998, S. 1/2; FAZ v. 24.7.1998, S. 6. Maschadov forderte den jordanischen Feldkommandeur tschetschenischer Herkunft Al Chattab auf, seine „Tätigkeit“ einzustellen und das Land zu verlassen. Vgl. Nezavisimaja gazeta v. 17.7.1998, S. 1.
55 Nezavisimaja gazeta v. 30.9.1998, S. 1; Kommersant daily v. 23.101998, S. 3; Nezavisimaja gazeta v. 15.10.1998, S. 5; zu Israpilov vgl. Moskovskie novosti v. 17.-24.5.1998 (Nr. 19), S. 6/7.
56 Kommersant daily v. 5.11.1998, S. 3.
57 Vgl. Nezavisimaja gazeta v. 17.11.1998, S. 5.
58 Halbach, Uwe: Krieg in Dagestan, in: Aktuelle Analysen 1999, Nr. 28 (18.8.); Iskanderjan, Alexander: Der Krieg in Dagestan, in: Wostok 1999, Nr. 4, S. 18-20.
59 Der Wandel Maschadovs von einem sich an die Ethik des Berufsmilitärs haltenden Soldaten zu einem mit terroristischen Methoden agierenden Partisanen mag menschlich verständlicher Verzweiflung entspringen, bringt Tschetschenien aber nicht weiter und läßt Maschadov auf die Stufe eines Raduev oder Basaev sinken. Zu dieser Entwicklung vgl. FAZ v. 4.7.2000, S. 8; 5.7.2000, S. 3.
60 Siehe dazu die offizielle Stellungnahme des Tschetschenien-Beauftragten Präsident Putins, Jasterschembskij, in: Nezavisimaja gazeta v. 18.7.2000, S. 2; ferner die Ausführungen des FSB-Abteilungsleiters Aleksandr Zdanovtschtsch in der Runden-Tisch-Diskussion der Nezavisimaja gazeta. Beilage v. 16.6.2000, S. 9/12-14 (12).
61 Text: Sobranie Zakonodatel’stva Rossijskoj Federacii 2000, Nr. 24, Pos. 2545.
62 Zu den Hintergründen Nezavisimaja gazeta v. 21.6.2000, S. 1/2. Zu den beiden siehe die Porträts in FAZ v. 17.6.2000, S. 12 bzw. v. 3.5.2000, S. 16. Siehe ferner die Materialien und insbesondere Interviews in: Nezavisimaja gazeta v. 14.6.2000, S. 1/3; 1.7.2000, S. 1/2.
63 Izvestija v. 19.7.2000, S. 1.
64 Zum Prozeß vgl. Nezavisimaja gazeta v. 22.10.1997, S. 3; Kommersant daily v. 28.7.1998, S. 5.
65 Vgl. das Interview mit ihm in Paris Match v. 5.7.2000; russ. Text: Nezavisimaja gazeta v. 8.7.2000, S. 1/6.
66 Vgl. Moskovskie novosti v. 1.-7.8.2000 (Nr. 30), S. 6.
67 Turpalov, Lema: Vojnu v Tschetschne zatjagivajut iskusstvenno, in: Nezavisimaja gazeta v. 29.7.2000, S. 1/2.
68 Vgl. dazu die eindrucksvolle Recherche von Anna Politkovskaja: Truba, in: Novaja gazeta v. 31.7.-6.8.2000, S. 1/7.
69 Zu wirtschaftlichen bzw. finanzpolitischen Überlegungen der Organisation des Wiederaufbaus siehe auch Jurovickij, Vladimir: Tschetschenskij kapkan, in: Nezavisimaja gazeta v. 4.5.2000, S. 8.
70 Siehe dazu die Reportagen in Obschtschaja gazeta v. 13.-19.7.2000, S. 2; Izvestija v. 21.7.2000, S. 3; Nezavisimaja gazeta v. 20.7.2000, S. 2; Nezavisimaja gazeta v. 18.7.2000, S. 2.
71 Vgl. nur Schlichting, Ursel: Das Engagement der OSZE in Tschetschenien, in: OSZE-Jahrbuch 1995, Baden-Baden 1995, S. 211-220; Guldimann, Tim: Die Tauben gegen die Falken unterstützen. Erfahrungen der OSZE-Unterstützungsgruppe in Tschetschenien, in: OSZE-Jahrbuch 1997, Baden-Baden 1997, S. 133-142; Skagestad, Die Hoffnung nicht aufgeben (Anm. 32).
72 Vgl. FAZ v. 17.4.2000, S. 4.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen