Stefan Aust oder Wie weit reicht der Arm von Ilham Alijew?

Stefan_Aust_Wikimedia_CommonsDer Mediendienst Turi2 machte am 23. Oktober 2013 unter „Stefan Aust wehrt sich gegen PR-Vorwürfe“ auf die Sendung von Kathrin Drehkopf & Christoph Heinz des NDR vom Tage aufmerksam.

Der Anlass: Der Fernsehsender N24 strahlte 2012 im zeitlichen Umfeld des ESC in Baku mehrfach den Film „Unterwegs im Land des Feuers – Unbekanntes Aserbaidschan“ aus. Stefan Aust gehört als ehemaliger SPIEGEL-Chefredakteur zu den Schwergewichten der deutschen Medienlandschaft. Ein Grund, wenn auch nicht der einzige, weswegen der NDR diesen Film unter die Lupe genommen hat. Denn Aust ist Anteilseigner von N24 und von Agenda Media. Und Agenda Media hat „Unterwegs im Land des Feuers – Unbekanntes Aserbaidschan“ im Auftrage von N24 produziert. Mehr noch: Aust sitzt in der Geschäftsleitung von Agenda Media und hat beim Film aktiv mitgewirkt, so stammt das Interview mit dem aserbaidschanischen Außenminister Elmar Mammadyarov von ihm.

Schon bei flüchtiger Betrachtung fällt auf, dass „Unterwegs im Land des Feuers – Unbekanntes Aserbaidschan“ ein Stück Hochglanzreklame ist. Alles ist wunderbar in Aserbaidschan, die Menschen sind glücklich und zufrieden, Probleme gibt es keine, ja sie werden nicht einmal ansatzweise erwähnt. Reihenweise kommen Funktionäre der staatlichen Erdölgesellschaft SOCAR zu Wort, die natürlich nur eines berichten: In Aserbaidschan ist alles im grünen Bereich. Kurzum: Aserbaidschan ist ein Paradies auf Erden.

Doch das Medienmagazin ZAPP des NDR machte es sich bei seiner Sendung „Fragwürdige Doku: Aust in Aserbaidschan“ nicht so einfach. Kathrin Drehkopf & Christoph Heinz befragten den Kaukasus-Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin, Uwe Halbach: Für ihn steht fest: „Da wird ein Land in prachtvollsten Farben dargestellt, aber auf der anderen Seite blendet dieser Film alles aus, was kritische Fragen aufwerfen könnte und wirkt auf mich einseitig, er wirkt wie ein Werbefilm auf mich, wie eines der vielen PR-Produkte, mit denen Aserbaidschan sich derzeit auf internationaler Bühne vorstellt.“ Und Halbach weiter: „Das Land ist eine Petro-Ökönomie, ein Petro-Staat geworden mit entsprechenden Erscheinungen auch von Korruption, die überhaupt nicht genannt werden.“

Für den in Deutschland lebenden aserbaidschanischen Oppositionellen Emin Milli ist der Film „von der [aserbaidschanischen] Regierung bezahlte Propaganda“. Diesen Film habe auch SOCAR drehen können. O-Ton Milli: „Das Drehbuch hätte auch der SOCAR-Chef schreiben und diesem deutschen Sender geben und sagen [können] ‚Können Sie das bitte so drehen wie wir wollen.‘ “ Und Milli hat Fragen: „Was ist das Interesse dieses Fernsehsenders, oder von diesen Leuten, die in Aserbaidschan gedreht haben? Was sind die Beziehungen dieser Menschen zu SOCAR, zur aserbaidschanischen Regierung, zu Alijew und zu seiner Familie und wie profitieren sie davon?“ Er sieht im Film die Prinzipien des unabhängigen Journalismus verraten. Das sei für ihn ein Verrat. Ein solcher Film solle folglich nicht mit dem Anspruch daherkommen, unabhängigen Journalismus zu betreiben.

Der Bundestagsabgeordnete Christoph Strässer (SPD) war ein weiterer Sachverständiger, den der NDR konsultierte. Strässer ist ein sehr guter Kenner der Menschenrechtssituation in Aserbaidschan, denn er war von 2009 – Januar 2013 Sonderberichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) für politische Gefangene in Aserbaidschan, dem Baku beharrlich die Einreise verweigert hat. Als Reaktion darauf wurde am 9. November 2011 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke eine sehr deutliche Entschließung verabschiedet.

Strässers Bericht „The follow-up to the issue of political prisoners in Azerbaijan“ wurde am 23. Janaur 2013 in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) mit „parlamentarisch äußerst fragwürdigen Lobbymethoden“ der aserbaidschanischen Delegation abgeschmettert (s. Pressemitteilung der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag) Strässer gab dem NDR zu Protokoll: „Dass man einen solchen Film von dieser Dauer produziert, ohne einen einzigen Satz darüber zu verlieren, was in diesem Land auch los ist, was die Demokratie, was die Menschenrechte, die Pressefreiheit und andere Dinge angeht … eine derartige Werbung ist fast schon unsittlich … Es sprechen alle Indizien dafür, dass das eine Auftragsarbeit gewesen ist, die erfüllt worden ist und wenn dahinter ein Name steht, der früher einmal für kritischen Journalismus gestanden hat, dann hat es wohl da eine schwere Wandlung gegeben.“

Die Recherchen des NDR erschöpfen sich nicht mit den Interviews der Drei. Zusätzlich wurden Fragen an Agenda Media, N24 und SOCAR gestellt. Sowohl Fragenkatalog als auch Antworten stehen im Netz. Fragenkatalog an Agenda Media, Stellungnahme von Agenda Media, Fragenkatalog an N24, Stellungnahme von N24, Fragenkatalog an SOCAR, Stellungnahme von SOCAR.

Im Netz findet man auch die Stellungnahme Stefan Austs zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen, doch sie klingt nicht sonderlich überzeugend (mit dem NDR mochte er nicht reden).

Zu ergänzen ist, dass für den Hochglanz-PR-Beitrag „Azerbaijan — Land of the Future“ – er wurde im Januar 2013 auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos gezeigt – ebenfalls Agenda Media verantwortlich zeichnet.

An einer Stelle des Interviews sagt Christopf Strässer etwas, das weit über die medialen Aktivitäten von Stefan Aust hinausweist: „Es gibt auch Versuche, die wir im Einzelnen nicht belegen können anhand von klaren Beweisen, aber es gibt Umstände, die darauf hindeuten, dass auch im Ausland politische Kräfte gekauft werden, dass die, die Lobbyarbeit für Aserbaidschan machen, dafür bezahlt werden.“ Das deckt sich mit den Recherchen von European Stability Initiative (ESI) als „Kaviardiplomatie“ umschriebene aserbaidschanische Praxis. Offenbar erliegen etliche den Verlockungen der Petrodollars – auch hierzulande und nicht nur Medienleute.

Doch trotz diesen Verlockungen gibt es Medien, die damals wie heute die Zustände im fernen Aserbaidschan kritisch hinterfragen. Ein Dossier im Rahmen des ESC 2012 in Baku haben wir damals zusammengestellt.

Die Sendung ZAPP des NDR ist das jüngste Beispiel dazu.

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